Carl-Brilmayer-Gesellschaft e. V.

Avenarius, Richard Ernst Abundius (1840-1917)

  • Geburtsdatum: 09.04.1840
  • Geburtsort: Koblenz
  • Sterbedatum: 01.02.1917
  • Sterbeort: Gau-Algesheim
  • Berufe/Stellungen: Chemiker ; Unternehmer
  • Fachgebiete: Chemie ; Industrie ; Handwerk
  • Beziehungen: Maehler, Johann Abundius Anton Joseph / 1777-1853 ; Koser, Peter / 1834-1891 ; Avenarius-Herborn, Heinrich / 1873-1955

Biogramm

Richard Ernst Abundius (nach seinem Großvater, dem Koblenzer Oberbürgermeister Johann Abundius Anton Joseph Maehler) war der Sohn des in Koblenz und Mainz stationierten zivilen Garnisonsverwaltungsdirektors Albert Avenarius ; Abitur am 11. Juli 1860 am Großher-zoglichen Gymnasium zu Mainz, Berufswunsch „zum Militär“; nach einem Unfall Ausscheiden aus dem Militärdienst und Beginn eines Chemiestudiums; zog als Landwehroffizier im Niederrheinischen 39. Füsilier-Regiment in die Kriege von 1866 und 1870/71, ausgezeichnet mit dem Eisernen Kreuz und zum Hauptmann ernannt, nahm er 1871 als Invalide seinen Abschied und setzte seine chemischen Studien fort.

Das Unternehmen der Gebrüder Richard Ernst und Carl Avenarius wurde 1869 gegründet zur Produktion verzinnter gußeiserner Schnellkochtöpfe, unverzinnter Schnellbrater, Dampf-Waschkessel und Dampf-Futterkessel. 1876 brachte Richard Avenarius das Anstreich- und Holzschutzmittel "Carbolineum" in den Handel und fand damit Kunden im In- und Ausland. Gegenüber dem ursprünglich aus filtrierten und destillierten Anthracenöl hergestellten Produkt wurde Carbolineum mit Zusätzen verbessert und 1888 als Schutzmarke patentiert, so dass es jetzt die internationale und lokale Konkurrenz überflügeln konnte, auch die Carbolineum-Fabrik Georg Presser aus Gau-Algesheim mit Niederlassungen in Prag und Mailand. Avenarius eröffnete Fabriken in Berlin, Amstetten (Niederösterreich), Preßburg, St. Petersburg und in den USA.

Im katholisch geprägten Gau-Algesheim wurde der Fabrikant Richard Avenarius zum Repräsentanten nationalliberaler Positionen und jn den Zeiten des Kulturkampfes und der Auseinandersetzung um das hessische Volksschulgesetz zum Antipoden des tatkräftigen katholischen Pfarrers Peter Koser. Diese Konstellation hinderte beide jedoch nicht an einem ausgeprägten sozialen und kommunalen Engagement. In der Nachbarschaft der Fabrik entstanden eine Reihe von acht Werkswohnungen, „ein Anhängsel mehr als ein Vorort“ (Anna Seghers, Agathe Schweigert). Der in der Fabrik erzeugte Strom versorgte auch die Stadt; ebenso wurde die Einrichtung von Telefonanschlüssen vorangetrieben; die Karbolineumfabrik und Imprägnier-Anstalt der Gebr. Avenarius besaß das Telefon Nr. 1 in Gau-Algesheim. Albert, der 1879 früh verstorbene einzige Sohn von Angelika und Richard Avenarius, wurde 1894 Namensgeber der Stiftung „Albertushospital“.

1914 adoptierte Richard Avenarius seinen Neffen Heinz Herborn, einen promovierten Chemiker, der seit 1898 im Labor der Firma arbeitete, 1911 Gesellschafter und 1917 als Dr. Heinrich Avenarius-Herborn Alleininhaber der Firma wurde. Die Verdienste von Richard Avenarius wurden durch die Ernennung zum „Kommerzienrat“ (25.11.1902) und die Verleihung des Ehrenkreuzes des Großherzoglich Hessischen Philipps-Ordens gewürdigt.

Politische Ambitionen in der Region entwickelte er, als er von Heinrich Claß den Vorsitz des Rheinhessischen Bismarckvereins übernahm, nachdem der in Alzey gebürtige Rechtsanwalt 1908 Vorsitzender des nationalistisch-antisemitischen Alldeutschen Verbandes geworden war. Diese brachte er auch bei einem Festkommers in Bozen am 13. April 1909 zum Ausdruck, als - nach einem Bericht der Wiener Reichspost vom 14. April - Bürgermeister Dr. Julius Perathoner die Annexion von Bosnien und der Herzegovina am 5. Oktober 1908 als einen Akt der Friedenssicherung bezeichnete und seine Rede mit einem Hoch auf die verbündeten Herrscher von Österreich-Ungarn und Deutschland beschloss. Kommerzienrat Avenarius, der als Ostergast in Bozen weilte, unterstrich in seiner Erwiderung die deutsche Bundestreue und Kampfbereitschaft, wie sie Reichskanzler von Bülow wenige Tage zuvor im Reichstag als „Nibelungentreue“ charakterisiert hatte.

Quellen

Kommerzienrat Richard Abund Avenarius: Unternehmer und Fabrikant (9.2.1840 - 1.2.1917)

Genealogie

V Albert Avenarius (1813–71) Garnisonsverwaltungsdirektor in Mainz (lutherisch); M Amalie (1813–92), T des Abund Maehler (1777-1853, katholisch), Oberbürgermeister und Polizeidirektor in Koblenz, und der Maria Anna Stadelmair (1779–1853); GvvJohann Ernst Karl Friedrich Avenarius (1777–1846), Landrat zu Daun; Gmv Elisabeth Georgine Friederike Börhöck (1790–1869); Heirat Wiesbaden 25.3.1867 Angelika (11.11.1839 - 30.9.–1910), T des Koblenzer Bauunternehmers und Stadtverordneten Johann Anton Maeckler (1820-1886); 1 S.

 

Leben

Zunächst Offizier, schied A. 1871 als Hauptmann a. D. und Invalide aus dem Heeresdienst und nahm schon früher begonnene chemische Studien wieder auf. Er erdachte ein Verfahren, um die Weinbergspfähle ohne maschinelle Hilfsmittel, nämlich durch Tränkung mit Teeröl, widerstandsfähiger zu machen und baute danach eine schon 1867 (während vorübergehender Invalidität) gegründete Kesselschmiede in Gau-Algesheim bei Bingen in eine Kreosotieranstalt um. Nach weiteren Versuchen erfand er das Holzkonservierungsmittel „Carbolineum A.“, das sich bald weitestgehend durchsetzte. Damit wurde ein billiges, in großen Mengen herstellbares Mittel geschaffen, um Holz, vor allem Bauholz, durch einfachen Anstrich gegen Fäulnis zu schützen. A. gründete zur Herstellung Fabriken in Adlershof bei Berlin, Amstetten (Niederösterreich), Preßburg (Ungarn), bei St. Petersburg (Rußland), Zweigniederlassungen in Hamburg, Köln, Berlin. In Amerika entstand die „Carbolineum Wood Preserving-Co.“ in Milwaukee mit Zweigniederlassungen in New-York, Portland, Seattle, New-Orleans, Mexiko und Quebec, für England übernahm die „C. A. Peters Ltd.“ in Derby die Herstellung und den Vertrieb des Carbolineums. - Kohlensaure Quellen im Brohltal baute er als „A.brunnen“ aus und führte das Wasser nach Südamerika aus. Er gehörte zu den führenden Männern der nationalliberalen Partei Hessens.

 

Löffler, Hermann, „Avenarius, Richard Ernst Abund“, in: Neue Deutsche Biographie 1 (1953), S.467 f. [Onlinefassung]; URL: www.deutsche-biographie.de/pnd132605481.html