Heinrich Vogt: Physiker und Astronom (1890-1968)
RPPDnd - Heinrich Vogt wurde am 5. Oktober 1890 in Gau-Algesheim als jüngstes Kind des Arbeiters Philipp Vogt III. und dessen Ehefrau Margaretha geb. Sturm geboren und am 9. Oktober 1890 von Pfarrer Kirstein in der neu errichteten Pfarrkirche getauft. Pate war Heinrich Sturm. Philipp Vogt aus Ober-Hilbersheim und Margarete Sturm aus Frei-Laubersheim hatten am 27. Dezember 1880 in Gau-Algesheim geheiratet. Vor ihrem Sohn Heinrich waren ihnen bereits drei Kinder Katharina (*1881), Peter (*1884) und Barbara (*1886) geboren worden. Am 17. August 1939 heiratete Heinrich Vogt in Bad Godesberg Margarete Braun. Der Ehe entstammen ein Sohn und eine Tochter.
Seit dem Herbst 1906 besuchte Heinrich Vogt das Großherzogliche Gymnasium im Kronberger Hof zu Mainz, absolvierte dort im Herbst 1911 das Abitur und begann an der Universität Heidelberg das Studium der Astronomie, der Mathematik und Physik. Im Wintersemester 1912/1913 avancierte er zum Assistenten an der Großherzoglich Badischen Sternwarte, wo er auf den Assistenten Franz Kaiser aus Wiesbaden traf, dessen Vorfahren väterlicherseits aus Gau-Algesheim stammten.
Vogt entdeckte am 9. Dezember 1912 einen Asteroiden, der nach der Mutter und einer Verwandten Vogts den Namen (735) Marghanna erhielt. Sein Heidelberger Kollege Karl Wilhelm Reinmuth nannte einen am 6. Oktober 1937 entdeckten Asteroiden (1439) Vogtia und zwei am 8. Januar 1937 entdeckte Asteroiden nach Vogts Frau (1410) Margret und (1411) Brauna.
Nach Unterbrechung durch den Krieg promoviert Vogt mit einer Arbeit zum Thema „Zur Theorie der Algolveränderlichen“ 1919 bei Prof. Max Wolf, dem Gründer und ersten Direktor der Badischen Landessternwarte auf dem Königsstuhl. Seine Antrittsvorlesung als Privatdozent 1921 hielt Vogt über „Die Entwicklung der Sterne“ und hatte damit das zentrale Thema seiner wissenschaftlichen Arbeit gefunden. 1926 wurde Vogt außerordentlicher Professor an der Universität und Observator der Sternwarte. Seit dem 1. Februar 1929 lehrte und forschte er als Ordinarius am Jenaer Lehrstuhl für Astronomie und als Direktor der Universitätssternwarte. Bereits vor der nationalsozialistischen Machtübernahme der „Hitler-Bewegung“ verbunden, kehrte Heinrich Vogt am 1. Oktober 1933 wieder nach Heidelberg zurück, um als Nachfolger seines Lehrers, der am 3. Oktober 1932 gestorben war, die Direktorenstelle an der Sternwarte und das Ordinariat für Astronomie an der Ruprecht-Karls-Universität zu übernehmen. 1935 sowie 1936/37 führte Vogt als Dekan die Naturwissenschaftlich-Mathematische Fakultät.
Die wissenschaftlichen Veröffentlichungen Vogts belegen den Horizont seines Denken und Forschens: „Aufbau und die Entwicklung der Sterne“, „Außergalaktische Sternsysteme und die Struktur der Welt im Großen“ (1960), „Das astronomische Weltbild der Gegenwart“ (1955), „Die Struktur des Kosmos als Ganzes“ (1962), „Das Sein in der Sicht des Naturforschers“ (1964) oder „Kosmos und Gott“ (1951).
In seinen grundlegenden Arbeiten über den Aufbau und die Systeme der Sterne fand Heinrich Vogt den „Eindeutigkeitssatz“, der beinhaltet, daß Aufbau und Zustandsgröße eines Sternes durch seine Masse und seine chemische Zusammensetzung eindeutig bestimmt sind. Seine astrophysikalischen Messungen der Leuchtkräfte, des Durchmessers oder der Oberflächentemperaturen von Sternen haben Vogts theoretischen Satz prinzipiell bestätigt, auch wenn neuere Bewertungen das „Vogt-Russell-Theorem“ eher als „Faustregel“ einstufen.
Vogts wissenschaftliche Leistungen, durchaus vergleichbar mit den Forschungen des nordamerikanischen Astronomen Henry Norris Russell (1877-1957) und des Dänen Einar Hertzsprung (1873-1967), haben früh eine verdiente Würdigung erfahren: durch ehrenvolle Rufe an das Astrophysikalische Observatorium in Potsdam und die Universitäten München, Hamburg und Berlin, die er ablehnte, und durch die Mitgliedschaft in den wissenschaftlichen Akademien von Heidelberg, Berlin und Halle. Über seine Emeritierung hinaus hat er seine Vorlesungstätigkeit in Heidelberg und an der Technischen Universität Stuttgart fortgeführt.
Das katholische Religionsbuch für die 8. Klasse „Religion in der Hauptschule“ aus dem Kösel-Verlag zitiert Heinrich Vogt zum Thema „Naturwissenschaft und Religion“ mit folgenden Worten: "Die Existenz der Welt läßt sich aus ihrer Beschaffenheit nicht begründen. Sie kann auch nicht aus sich selbst sein. Sie fordert einen Ursprung, der keines Ursprungs bedarf ... Naturwissenschaft und wahre Religion stehen auf keinen Fall im Gegensatz zueinander, vielmehr ergänzen sie sich gegenseitig." (S. 37). In der neusten Ausgabe des Brockhaus (1996) ist sein Name nicht mehr verzeichnet.
Heinrich Vogt, der als Gast des Volksbildungswerkes auch Vorträge in seiner Geburtsstadt hielt, starb am 23. Januar 1968 in Heidelberg. (nd)
Aus dem Nachlass von Prof. Max Wolf
Die Universität Heidelberg hat Fotos aus dem Nachlass von Prof. Max Wolf ins Netz gestellt. Auf zwei Bildern aus dem Jahre 1914 sind auch Heinrich Vogt und Franz Kaiser als Mitarbeiter der Arbeitsgruppe "Sternwarte" zu sehen.