Prof. Dr. Karl Bechert: Physiker und Politiker (1901-1981)
Die Chronik der Stadt Gau-Algesheim, anlässlich der 625-Jahrfeier der Stadtrechtsverleihung 1980 erschienen, vermerkt für das Jahr 1957 unter der Überschrift „Ein Gau-Algesheimer wird in den Deutschen Bundestag gewählt: Universitätsprofessor Dr. Karl Bechert, der seit 1946 hier wohnhaft ist, wurde am 15. September 1957 bei den Wahlen zum Deutschen Bundestag in seinem Wahlkreis Waldeck in direkter Wahl als Kandidat der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands in den Bundestag gewählt.“
Karl Bechert (1901-1981) war einer der ersten, sicherlich sogar der erste namhafte Umweltpolitiker in Deutschland. Sein Lebenswerk galt, auf einen Nenner gebracht, der Sicherung des militärischen, sozialen und ökologischen Friedens. In seinem „Aufruf an alle Bürger Europas: Wehrt Euch!“ wandte er sich im Oktober 1980, neunundsiebzigjährig, sechs Monate vor seinem Tod, an die Öffentlichkeit, um vor atomarer Nachrüstung zu warnen. Wer war dieser Mann?
Karl Richard Bechert wurde am 23. August 1901 in Nürnberg geboren. Sein Vater Karl Bechert war Postamtmann im Reichspostministerium. In München besucht der junge Bechert von 1911 bis 1920, also im wesentlichen während der Zeit des Ersten Weltkrieges und den Wirren danach, das Humanistische Gymnasium. Die humanistische Bildung hat er mit vielen anderen berühmten Naturwissenschaftlern gemein. Das Studium der Physik, Mathematik und Chemie absolvierte er von 1920 bis 1925 ebenfalls in München. Seinem Lehrer Prof. Arnold Sommerfeld (1868-1951), dem er seit 1922 zunächst als wissenschaftliche Hilfskraft und ab 1923 als Hilfsassistent und Doktorand zuarbeitete, blieb er bis zu dessen Tod verbunden.
Ein Stipendium führte ihn noch während seiner Doktorandenzeit in die USA an die Universität Iowa. Mit der Arbeit „Über die Struktur des Nickelspektrums“, 1923 begonnen, promovierte er am 23. Juli 1925 „summa cum laude“. 1925/1926 hielt sich Karl Bechert als Stipendiat der Rockefeller-Stiftung zu Forschungszwecken in Madrid auf. Seine spanischen Veröffentlichungen zeigen, daß er sich dort mit den Spektren des Kobalts und des Palladiums sowie mit Unregelmäßigkeiten in optischen Spektren beschäftigte.
1926 rief ihn Prof. Sommerfeld als Assistent an das Institut für theoretische Physik nach München zurück. 1930 habilitierte sich Bechert und bleibt als Privatdozent für Physik bis Ende Oktober 1933 am Institut. Vortragsreisen mit Prof. Sommerfeld führten ihn bis Südindien und Ceylon.
In der Münchner Zeit heiratete Karl Bechert 1929 Sibylle Lepsius, am 25. August 1902 in Charlottenburg geborene Tochter von Reinhold Lepsius, der an der Berliner Kunstakademie beschäftigt war. Aus der Ehe gingen zwei Söhne hervor: Johannes Stefan Bechert, geb. 1931, Professor für Vergleichende Literaturwissenschaft und Dietrich Wolfgang Bechert, geb. 1936, Wissenschaftler bei der Deutschen Forschungsanstalt für Luft- und Raumfahrt in Berlin.
Ein Großelternteil seiner Ehefrau war jüdischer Konfession, hieraus ergaben sich für ihn Probleme an der Universität Gießen, wohin er im November 1933 einem Ruf auf den Lehrstuhl für theoretische Physik gefolgt war .
Vor dem Bombenhagel, der sein Institut zerstört hatte, flüchtete die Familie 1944 dann nach Donsbach, ein Dorf im Westerwald, in der Größe vergleichbar mit dem Gau-Algesheim der Fünfziger Jahre, so Becherts eigene Worte anläßlich seiner Ernennung zum Ersten Beigeordneten von Gau-Algesheim am 19. September 1955. In Donsbach wurde Bechert dann nach dem Einzug der US-Streitkräfte Bürgermeister (vom 28. März bis 1. August 1945). Diese Aufgabe konnte er dann aber nicht mehr wahrnehmen, da er am 28. Juni 1945 Rektor der Universität Gießen geworden war. Die Arbeitsbelastung war zu groß, außerdem war er seit August 1945 in den Stadtrat von Gießen gewählt worden und dort wohl auch Beigeordneter. Es war im wesentlichen sein Verdienst, daß die bereits angeordnete Schließung der Universität Gießen dann doch nicht durchgeführt wurde. Es blieb aber nur eine im Lehrangebot reduzierte Hochschule für Bodenkultur und Veterinärmedizin in Gießen, und so folgte Bechert im April 1946 einem Ruf der neu wiedergegründeten Universität Mainz, und wurde dort Direktor des Instituts für theoretische Physik. Den Mainzer Lehrstuhl behielt er bis zu seiner Emeritierung im Jahre 1969, obwohl ihn mehrfach von Universitäten des In- und Auslandes Rufe erreichten. Der neue Wohnsitz der Familie wurde Gau-Algesheim. Bechert hatte eine Heimat gefunden. Dort wurde er 1955 zum Ersten Beigeordneten und 1956 in den Stadtrat und den Binger Kreistag gewählt. Von 1957 bis 1972 war er Bundestagsabgeordneter als Direktkandidat des nordhessischen Wahlkreises Waldeck. 1970 verstarb seine Ehefrau; 1978 zog er „aus rational nicht ganz nachvollziehbaren Gründen“ (so sein Sohn Dietrich in einem Interview mit Ralf Kohl 1991) von Gau-Algesheim nach Weilmünster-Möttau. Dort befindet sich auch sein Grab; verstorben ist er am 1. April 1981 an seinem Schreibtisch, völlig unerwartet, mitten in den Vorbereitungen einer Kundgebung gegen die atomare Nachrüstung der Bundesrepublik, bei der er einer der Hauptredner sein sollte . Die Tageszeitung „Manchester Guardian“ vom 4. April 1981 nennt Karl Bechert den Vater der westdeutschen Anti-Atom-Bewegung .Wie ernst es ihm damit war, zeigt ein Zitat von ihm, das nordhessische Bürger in seinem Nachruf abdruckten: „Man nennt uns Aufwiegler - wir aber wollen nicht in einer atomaren Katastrophe untergehen. Wir wollen nicht, daß unsere Nachkommen uns verfluchen, weil wir dem atomaren Wahnsinn nicht Widerstand geleistet haben.“
Karl Bechert, der Gau-Algesheimer
Mit seiner Berufung an das Mainzer Institut für theoretische Physik galt es für sich und die Familie eine Bleibe zu finden, denn Mainz war durch den Krieg fast völlig zerstört. Das gelang dann in Gau-Algesheim. Viele Jahre wohnte die Familie in der Kloppgasse 6, bis das eigene Haus in der Kirchstraße bezogen werden konnte. Die Becherts waren eine musische Familie, noch heute wissen Nachbarn von Violin- oder Klavierkonzerten im Hause Kirchstraße 22 zu berichten.
Karl Bechert war nicht nur wissenschaftlich begabt, sondern auch sprachlich und musisch, in einem Maße, daß er 1927 in Madrid anläßlich eines Gedenkkonzertes zu Beethovens Todestag als Pianist auftrat. Seine Frau war als Pianistin ausgebildet, sie hat Chöre geleitet, beide haben zuhause zusammen musiziert, wenn dies seine Zeit erlaubte.
„Wenn wir bei Becherts in Gau-Algesheim waren, spielte er oft mit seiner Frau vierhändig auf dem großen Flügel. Seine langjährige Sekretärin (1947-1972) Elisabeth Hessel weiß, daß er Agnostiker war, und seiner Frau zuliebe, die eine überzeugte Christin der Evangelischen Bekennenden Kirche war, habe er zuweilen in der Kirche musiziert. Sein Sohn Johannes formuliert das so: „Aus Liebe zur Musik und zu seiner Frau nahm er vorwiegend in den 50er Jahren an Kirchenkonzerten der evangelischen Kirche in Gau-Algesheim teil.“
Karl Bechert war ein Kenner und Liebhaber seltener Pflanzen. „In Gau-Algesheim hatte er einige davon“, erzählte Prof. Werner Romberg aus Heidelberg, der mit ihm bei Prof. Sommerfeld, seinem Lehrer, in München studiert hatte. Und weiter: „Als er 1978 nach Möttau umzog, wollte er uns einige Pflanzen geben.“ Doch sie waren bereits herausgerissen, weil man sie für Unkraut hielt.
Am 19. September 1955 wurde Karl Bechert zum ersten Beigeordneten der Stadt ernannt, nachdem er am 5. September mit zehn gegen fünf Stimmen bei einer Enthaltung gewählt worden war, sein Eintritt in die SPD, von deren Mitgliedern er mehrheitlich gewählt worden war, erfolgte dann am 5. Juli 1956. Anläßlich seiner Ernennung führte er unter anderem aus:, daß die Stadt Gau-Algesheim in ihm keinen ganz Unbewanderten zum 1. Beigeordneten bekäme, er sei ein Jahr Beigeordneter in Gießen und anschließend einige Monate Bürgermeister in einer Gemeinde in der Größe von Gau-Algesheim gewesen. Bei den Kommunalwahlen Ende 1956 wurde Karl Bechert in den Stadtrat und in den Binger Kreistag gewählt. Seinen Kreistagssitz gab er 1960 auf, dafür rückte Rolf Rein, der spätere Landrat des Kreises Alzey, nach; sein Stadtratsmandat behielt er bis 1964 bei. In dieser Periode war es wesentlich sein Verdienst, daß das Überführungswerk, die Kanalisation für das gesamte Gau-Algesheim und die Kläranlage gebaut wurden.
Am 15. September 1957 kam er in den Bundestag als direkt gewählter Kandidat des nordhessischen Wahlkreises Waldeck ,der ihm durch Georg August Zinn, dem hessischen Ministerpräsident vermittelt worden war. Diese vierfache berufliche Belastung erforderte einen Arbeiter, der, so Elisabeth Hessel, „wochenlang mit 2-3 Stunden Schlaf pro Nacht auskam“. Aus den Interviews, die Ralf Kohl in seiner Dissertation veröffentlicht hat, ergibt sich, daß er die sitzungsfreien Tage in seinem Wahlkreis arbeitete, sonntags nach Gau-Algesheim fuhr (mit dem Zug, da er wegen einer Handverletzung kein Auto fuhr), montags an der Uni Mainz für Fortgeschrittene las, um dann seinen Abgeordnetenpflichten wieder zu entsprechen - ein wahres Mammutprogramm. Nach 15 Jahren im Bundestag schied er 1972 dort aus und verlegte 1978 seinen Wohnsitz nach Möttau in der Nähe von Weilburg. In Gau-Algesheim hat man Karl Bechert in guter Erinnerung, ein Nachbar erzählte dem Verfasser, daß in seinem Teich noch immer eine Rose wachse, die einmal von Becherts stammte. Die Sozialdemokratische Bildungsinitiative hat ein Haus nach ihm benannt (Im Winkel 4), in dem kulturelle Veranstaltungen abgehalten werden und das der Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz auf Karl Becherts Name einweihte .
Karl Bechert, der Wissenschaftler und Politiker
Die Liste der wissenschaftlichen Schriften Karl Becherts, 1990 zusammengetragen von Christiane Litzius für ihre Facharbeit, zeigt für 1932 eine Arbeit über Kern-Gamma-Strahlung, und 1933-34 schrieb er zwei Kapitel in Prof. Sommerfelds Werk „Atombau und Spektrallinien“. Es folgten mehrere Schriften über das Thema, und 1938 gibt er zusammen mit Christian Gerthsen die beiden Bände „Atomphysik I und II“ in der Sammlung Göschen in Berlin heraus, die 1941 in einer erweiterten Auflage erschienen. Atomphysik bliebt auch in den 50er Jahren das Thema seiner wissenschaftlichen Arbeit. Es waren nicht einmal zehn Jahre vergangen, daß die Atombomben von Hiroshima und Nagasaki Menschen unsägliches Leid gebracht hatten. als Mitte der 50er Jahre die atomare Bewaffnung Deutschlands diskutiert wurde. Da seine Frau „viertel-jüdischer Abstammung war“, so der Nazijargon, konnte er sich nach 1933 nicht politisch betätigen, denn das wäre lebensgefährlich für ihn, Frau und Kinder gewesen .In der Frage der atomaren Bewaffnung hatte er sich von Anfang an dagegen ausgesprochen. Da er als einzelner nicht viel ausrichten konnte, schloß er sich 1956 der SPD an, in der in dieser Frage ähnlich gedacht wurde. Seit 1957 im Bundestag, war er dort der Fachmann, der wissenschaftlich fundiert zu diesen Fragen kompetent Stellung nahm.
1956 erschienen von ihm: „Radioaktive Niederschläge und ihre Gefahren“ oder „Radioaktive Verseuchung“ und 1957: „Atomare Gefährdung, Vitalstoffe - Zivilisationskrankheiten“. Bechert warnt vor der Verseuchung der Atmosphäre durch Kernwaffenversuchen und hat hier politisch aufklärend gewirkt, bis Mitte der 60er Jahre der Moskauer Vertrag die Atomversuche in der Atmosphäre beendete. Die Schriften: „Zur Frage der Gefährdung durch Reaktoren“ oder „Katastrophe durch Kernkraftwerke“ erschienen 1968. Vor dem Hintergrund des Wissens über die Gefahren für Umwelt und Mensch kam Karl Bechert folgerichtig zu dem Schluß, daß Kernkraftwerke für die Umgebung nicht harmlos sein können, wer hätte damals schon an Tschernobyl gedacht. Diese ablehnende Haltung gegen die friedliche Nutzung der Atomenergie hat sich mit der Zeit verstärkt. Seine Partei war dann Koalitionspartner einer CDU-SPD-Regierung, dies erforderte ein pragmatischeres Vorgehen, und so wurden seine Basis mehr und mehr Bürgerinitiativen und die Friedens- und Anti-Atom-Bewegungen, verstärkt noch, seit er ab 1972 nicht mehr Mitglied im Bundestag war. Und so engagiert er sich getreu seiner Überzeugung und mit seinem Wissen um die Gefahren gegen die „Nato-Nachrüstung“, d.h. gegen die Ausstattung der schweren Panzer mit Raketen mit Atomköpfen statt der konventionellen Geschütze.
Er ging in die Politik, weil er den Menschen eine Orientierung geben wollte, so sein Sohn Johannes in einem Interview mit Ralf Kohl 1991, das erklärt seine unermüdliche Arbeit gegen die Atomwaffen, gegen Atomkraftwerke, von denen er zumindest das der BASF verhindern half, das erklärt aber auch, daß er durch die Herausgabe eines „Prof.- Bechert Informationsdienstes“ Argumentationshilfen geben wollte, allen den Mitmenschen, denen Umwelt, Sicherheit und Menschenwürde nicht gleichgültig waren. Lothar Hahn, einer seiner Schüler an der Universität Mainz und späterer Mitstreiter zog 1991 anläßlich eines Symposions zum zehnten Todestag von Karl Bechert das Fazit: „Aus Sicht der Sicherheitsbetrachtungen für atomare Anlagen hat Prof. Bechert zu Recht gewarnt, und dies in allen Punkten. Die Fragen, die damals gestellt worden sind, sind heute noch gültig.“ Und Elisabeth Hessel faßt es so zusammen: „Er hatte mit allen seinen Aussagen recht. Er mußte nie etwas widerrufen“.
Karl Bechert, der Mensch
Karl Bechert war ein bescheidener, aufrichtiger Mensch, der nicht rauchte und nicht trank, der hilfsbereit und sozial engagiert war, und der vor allem mit den einfacheren Mitbürgern gut umgehen konnte, sich für sie einsetzte und deshalb ihre Achtung erwarb. Nicht ohne Grund hat er in seinem Bundestagswahlkreis mit jeder Wahl mehr Stimmen als zuvor erhalten. Unduldsam war er gegenüber faulen, überheblichen Menschen, seinen Studenten hat er geholfen, wo er konnte, andererseits war er ein gefürchteter Prüfer. Fleißig bis zur Selbstaufopferung hat er Leistung von seinen Studenten verlangt.
Sohn einer kleinbürgerlichen Familie, der Mittlere von drei Brüdern, mit einem sehr strengen Vater, hat er schon früh einen starken Selbstbehauptungswillen entwickelt, und wollte unbedingt Professor werden. Er verfügte aber auch über ein wissenschaftliches Talent und interessierte sich für die Wissenschaft. Er war musisch und sprachlich begabt und hatte ein phänomenales Gedächtnis. Er wollte anerkannt werden, aber er drängte sich nicht auf. Vielleicht war das der Grund, daß er in Bonn keine höheren Positionen erhielt.
Er war eine dominante Persönlichkeit, aber auch ein engagierter Familienvater, der sich sehr um die Kinder und die Ehefrau kümmerte, bis dann, etwa ab 1957, die Zeit dafür immer knapper wurde. Er war großzügig, wurde aber auch leicht zornig, ja aufbrausend zuweilen; in seinen Dingen sehr genau, konnte er doch über Kleinigkeiten hinwegsehen. Das Wichtige aber hat er nie aus den Augen verloren.
Andere aber sehen in ihm den Pedanten, der damit seinen Zielen selbst im Wege stand. Oder wie es Jockel Fuchs, der ehemalige Oberbürgermeister von Mainz, formulierte: „Er hatte Schwierigkeiten, mit der rheinhessischen Lebensart des Leben-und-Lebenlassens zurecht zu kommen.“. Er hielt ihn für einen großen Physiker, dem man staunend zuhörte, aber auch wieder als zu wirklichkeits- und weltfremd . Er schätzte ihn als offen, zuverlässig und ehrlich, anderseits habe ihm der Bezug zum politischen Alltag gefehlt, oder positiv ausgedrückt, „er war kein politischer Taktierer, aber eine Respektsperson, die in seiner Partei hoch geschätzt wurde.“ Karl Bechert war kein Opportunist, er hat seine Meinung vertreten, auch wenn es zu seinem Nachteil war. Er war stark demokratisch geprägt, stand mitten im Leben, er war offen und tolerant gegenüber Andersdenkenden aber nicht in Atomfragen. Er war gradlinig und konnte sich so mit jedem auseinandersetzen. Karl Bechert war nicht eitel, es ging ihm in Politik und Wissenschaft nicht darum, Karriere zu machen. Politisch tätig war er, um seine Mitmenschen vor der atomaren Bedrohung und der zunehmenden Umweltverschmutzung warnen zu können. Sein Lebenswerk galt, auf einen Nenner gebracht, der Sicherung des militärischen, sozialen und ökologischen Friedens, wie er dies im Oktober 1980 in seinem Aufruf „Wehrt Euch!“, sechs Monate vor seinem Tod, zum Ausdruck brachte. Gemeinsam mit Josef Weber, Gerd Bastian, Petra Kelly, Martin Niemöller u.a. organisierte Karl Bechert ein Forum am 15./16. November 1980 in Krefeld. Im „Krefelder Appell“ forderten die Initiatoren die Bundesregierung auf, ihre Zustimmung zur Stationierung von Pershing-II-Raketen und Marschflugkörpern zurückzunehmen. Über 250.000 Bürger unterschrieben diesen Aufruf. Für die große Demonstration am 4. April 1981 in Bonn war Karl Bechert als Hauptredner vorgesehen. Der Wissenschaftler und Politiker starb jedoch in der Nacht zum 1. April 1981 überraschend an seinem Schreibtisch.
Zu seinem 70. Geburtstag im August 1971 schickte ihm Bundespräsident Gustav Heinemann folgende Worte: „Lieber Herr Professor Bechert! Der Umschwung der öffentlichen Meinung, die mehr und mehr die Gefährdung aller Lebewesen durch Umweltverschmutzung und Vergiftung zur Kenntnis nimmt, kann Sie, der Sie auf diesem Gebiet einer der ersten Rufer in der Wüste waren und vielfach noch der Schwarzseherei bezichtigt wurden, nur mit Genugtuung erfüllen. Dieses Beispiel steht in Ihrem Leben für viele: Sie haben sich nicht damit begnügt, wissenschaftliche Forschung, losgelöst vom Alltag, zu betreiben. Ihr jahrelanges politisches Wirken, erst im kommunalen Bereich und seit 1957 im Deutschen Bundestag, ist Ausdruck einer wachen Verantwortung für das allgemeine Wohlergehen der Gesellschaft.“
Dem will der Verfasser nichts hinzufügen.
(Kurt Friedrich, Lesebuch, 1999, 128-133)