Carl-Brilmayer-Gesellschaft e. V.

1801 - 1899

1801, 13. Oktober: Die "Münchner Oberdeutsche Staatszeitung" berichtet, dass General Eickemeyer in Brüssel verhaftet worden sei. Er habe viele Menschen gegen sich aufgebracht, weil er in der Nordlegion keine Unregelmäßigkeiten, Betrügereien und Ungerechtigkeiten geduldet habe. Man werfe ihm vor, Millionen zu besitzen und in Algesheim ein Gut für 30.000 fl. gekauft zu haben, währenddessen er in "ehrenvoller Düftigkeit" lebt und von seinen Eltern ein "Gütchen" von 1.000 fl. geerbt hat. Der Zeitungsartikel schließt mit den Sätzen: "Schade, daß dieser General die Stelle im Staatsrathe ablehnte, welchem ihm vor Kurzem angetragen war. Die Nachricht seiner Verhaftung war ein Donnerschlag in seinem Vaterlande, welches von ihm Rettung erwartete. Eben arbeitete er an einer Schrift gegen die Mauth." Redakteur der "Staatszeitung" war der katholische Priester Lorenz Hübner (1751-1807), ein exponierter Vertreter der katholischen Aufklärung. Lorenz war seit 1801 ordentliches Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften.

1803: Die wehrhaften Teile von Schloss Ardeck sowie die Türme und Mauern der Stadt werden geschleift, die Steine zum Straßenbau verwendet.

1809, 9. Juni: Auf den ersten Notar in Gau-Algesheim Johann Heinrich Gaßner (9. Juni 1809 – 5. Juli 1812) folgen - nach einer längeren Unterbrechung - Karl Ludwig Schneider (15. März 1829 – 5. September 1830), Ludwig Hundhausen (26. März 1831 – 19. April 1845), Dr. Emil Gaßner (11. August 1845 – 31. Juli 1878) und schließlich Edmund Gaßner (10. September 1878 – 9. September 1893); ihm folgen Dr. Philipp Schmitt (30. September 1893 - 1. Januar 1900), Dr. Johann Reinhardt (1. Januar 1900 - 1. April 1901).

1811, 6. September: In einem Anwesen in der Langgasse bricht ein Feuer aus und vernichtet 80 Gebäude zwischen Langgasse, Hospitalstraße, Oberer Bein, Unterer Bein und Querbein.

1812, 9. September: Die Langwerthschen Güter auf dem Laurenziberg werden an den aus Frankreich stammenden Mainzer Handelsmann Peter Franz Paravey (1775-1828), den Schwager des Simmerner Unterpräfekten Andreas van Recum im Departement de Rhin et Moselle, übertragen.

1816: Nach der Niederlage Napoleons und auf Grund der Beschlüsse des Wiener Kongresses kommt Gau-Algesheim zunächst unter österreichisch-bayerische Verwaltung und dann zum Großherzogtum Hessen-Darmstadt, Provinz Rheinhessen.

1812 und 1819: Niederlegung der Stadttore; zwei Stadttürme, ein Turmstumpf in der Badstube und der Graulturm an der Bleiche, bleiben erhalten. Der Graben wird aufgefüllt, die Steine dienen dem Hausbau.

1817: Anlage eines Kiefernwaldes von 25 Morgen auf dem Sand.

1820, 18. Juni: Als einer der acht rheinhessischen Delegierten nimmt Bürgermeister Eickemeyer an der Sitzung der beiden Kammern in der Ständeversammlung des Großherzogtums zu Darmstadt teil.

1825, 9. September: In seinem Haus in der Kloppgasse stirbt der langjährige Maire und Bürgermeister Rudolf Eickemeyer, der 1822 aus gesundheitlichen Gründen von seinem Amt zurückgetreten war. Der Pariser "Journal des débats politiques et littéraires" vom 29. September bringt die folgende Meldung: "Le 9 septembre, l'ex-général Eickemeyer est mort dans sa terre d'Algesheim, grand-duché de Hesse-Darmstadt. Il étoit âgé de 73 ans." Bereits seit 1822 vertritt Quirin Ewen II. (1776-1846) den kranken Eickemeyer im Amt des Bürgermeisters, das er bis 1846 innehat. Dazu: RUDOLF EICKEMEYER (1753-1825) oder ... wie ein Gemeinwesen in die Gefahr gerät, seine Freiheitsgeschichte zu vergessen (Vortrag anlässlich des Stadtempfangs am 16. Februar 2003)

1829: Errichtung des Marktbrunnens und Bau der Knabenschule an der Kirche.

1829, 3. Juni: In Blois/Loire stirbt der am 10. März 1751 in Gau-Algesheim geborene Maler Jean Jacques Hauer.

1829, 25. Oktober: Einweihung des Friedhofs außerhalb der Stadt, dem heutigen Eickemeyer-Park.

1832, 18. Oktober: Unter diesem Datum meldet die „Neue Mainzer Zeitung“ vom 20. Oktober, dass in Gau-Algesheim 13 Gulden und 12 Kreuzer für das große Gutenberg-Denkmal in Mainz gespendet wurden. Einige Vergleichszahlen: Darmstadt (8 fl. 56 kr.), Carlsruhe (7 fl. 9 kr.) , Eich (11 fl. 56 kr.), Finthen (15 fl. 36 kr.). Bereits 1820 hatte Rudolf Eickemeyer in der Baumgärtnerschen Buchhandlung zu Leipzig eine Abhandlung "Über den sittlichen- und Kunstwerth öffentlicher Denkmäler" publiziert und sich zu den seit 1792 bestehenden Denkmals-Plänen geäußert.

1836, 30. November: Per Bekanntmachung Nr. 2238 bringt der Großherzoglich Hessische Provinzcommissär der Provinz Rheinhessen in Mainz, Freiherr von Lichtenberg, zur Kenntnis, dass Gaualgesheim 8.100 Klafter vom Kreisgerichtssitz Mainz, 1.600 Klafter vom Cantonssitz Oberingelheim und 11.400 Klafter vom Kreisgerichtssitz Alzei entfernt ist. In Hessen entspricht ein Klafter 2,5 Meter.

1836, 9. Dezember: Laut „Alphabetischem Verzeichnis derjenigen Personen, gegen welche nach den Acten der Centralbehörde bezüglich revolutionärer Umtriebe im Untersuchungswege eingeschritten worden ist. Abgeschlossen den 8. August 1838 durch die Bundes-Zentralbehörde in Frankfurt a. M., vervollständigt bis 5. Sept. 1842“ werden durch das Hofgericht in Gießen freigesprochen: Heinrich Hattemer, Gymnasiallehrer in Darmstadt, 28 J., aus Mainz und Johann Theodor Menninger, Arzt in Gau-Algesheim, 30 J., aus Heldenbergen. Die Anklage lautete: "Teilnahme an der Gießener Burschenschaft".

1837, 4. Juni. In einem Schreiben „an sämmtliche Großherzogl. Bürgermeister des Kreises“ legt der „Großherzoglich Hessische Kreisrath des Kreises Bingen“ „betreffend den Antrag der Stände wegen Verbesserung der Schutzpockenimpfung und der gegen Verbreitung der Menschenblattern zu ergreifenden Maßregeln“ fest, dass der „Kreis Bingen in Impfbezirke eingeteilt“ ist und „für die einzelnen Gemeinden nachgenannte Impfärzte bestimmt worden“ sind: „… Impfbezirk X. Gaualgesheim, Appenheim – praktischer Arzt Dr. Menninger zu Gaualgesheim“.

1844, Februar: Die Mitgliederliste des Historischen Vereins für das Großherzogtum Hessen verzeichnet folgende Gau-Algesheimer Bürger: Gutsbesitzer (Quirin) Ewen, Notar (Ludwig) Hundhausen, Distrikteinnehmer (Ludwig) Jonas und den praktischen Arzt Dr. (Johann Theodor) Menninger.

1845, 2. April: In der Frankfurter Literarischen Anstalt von Joseph Rütten veröffentlicht Heinrich König (* 19. März 1790 in Fulda; † 23. September 1869 in Wiesbaden) die "Denkwürdigkeiten des Generals Eickemeyer".

1845: Ankauf eines Hauses in der Langgasse/Antoniusgässchen zur Vermehrung der Schulräume mit Erweiterungen 1876 und 1882 (Lehrerwohnung, Schulsäle)

1848: Unter der Leitung des Lehrers Bartholomäus Sutter finden sich Freunde des Gesangs zusammen und gründen den Gesangverein „Cäcilia“ als Quartettverein. Namentlich bekannt sind: Friedrich Barth 1., Friedrich Barth 2., Michael Barth, Theobald Dengler 5., Johann Dengler 4., Josef Deister, Karl Diehl, Heinrich Hattemer 7., Johannes Hemmes, Johann Hessel 5., Heinrich Hessel 4.

Der 1836 in die Schweiz emigrierte Germanist Heinrich Hattemer veröffentlicht in Biel/Kanton Bern seine "Rede eines Teutschen Republikaners an seine Landsleute in der Heimath".

1849, 12. Juni: Zwischen Nieder-Ingelheim und Gau-Algesheim schießt der im Korn versteckte 26-jährige Adam Schneider, Sohn eines Schneidermeisters in Nieder-Ingelheim, auf den Prinzen von Preußen („Kartätschenprinz“) Wilhelm Friedrich Ludwig und tötet dabei den Postillon Johannes K. J. Fries. Der spätere preußische König und Deutsche Kaiser Wilhelm I. war mit zwei vierspännigen Wagen auf dem Weg von Mainz nach Bad Kreuznach, um die militärischen Aktionen gegen die Aufständischen in Rheinbayern (Pfalz), Rheinhessen und Baden zu leiten, und hatte in Nieder-Ingelheim die Pferde gewechselt.

Obwohl - nach Berichten in der "Wormser Zeitung" und im Michelstädter "Odenwälder" vom 16. Juni - eine frisch abgefeuerte Büchse, die Fußabdrücke am Tatort und die verschmutzten Schuhe auf den jungen Ingelheimer hinweisen, spricht ein Geschworenengericht in Mainz den mutmaßlichen Attentäter mangels Beweisen frei. Adam Schneider wandert nach dem Freispruch nach Nordamerika aus.

1849: Dem stud. phil. Karl Joseph Hattemer aus Gaualgesheim wird zum Ende des Sommersemesters bei der Verleihung der Preismedaillen im philologischen Seminar der Landesuniversität zu Gießen der 2. Preis zuerkannt. Der am 21. Februar 1825 geborene Sohn des inzwischen verstorbenen Lehrers Jakob Hattemer ist seit dem 12. April 1845 zunächst als stud. kath. theol., dann als stud. phil. in Gießen immatrikuliert.

1849, 11. November: In Biel stirbt, bald nach seiner Rückkehr aus dem badischen Aufstand, im Alter von nur 40 Jahren der aus Mainz gebürtige Germanist Heinrich Hattemer, dessen Vorfahren väterlicherseits aus Gau-Algesheim stammen. Er hinterlässt seine Frau Lina geb. Schröder sowie die Kinder Henriette (1838-1917), Amelie (1841-1892) und Hermann Josef (1844-1932).

1851: Erste Apotheke in Gau-Algesheim. Dr. Julius Martiny, vorher Schlitz und Hofapotheker in Darmstadt, führt seit 1853 die Apotheke. Er ist Mitglied im Apothekerverein des Großherzogtums Hessen und bearbeitet zusammen mit seinem Bruder Dr. med. Eduard Martiny, Brunnenarzt zu Salzschlirf, Ehrenmitglied und correspondirendem Mitglied mehrerer gelehrter Gesellschaften die „Encyklopädie der medicinisch-pharmaceutischen Naturalien- und Rohwaarenkunde. Mit besonderer Rücksicht auf historische und genetische Verhältnisse und auf physische und chemische Eigenschaften. Für Aerzte, Apotheker und Droguisten“, Druck und Verlag von Gottfried Basse, Quedlinburg und Leipzig, Erste Hefte 1838, 1. Band, 1843, 2. Band 1854.

1851: Durch den Einbau einer Empore werden die räumlichen Verhältnisse in der Pfarrkirche verbessert. Es werden neue Altäre und eine Orgel an der Brüstung der Emporenbühne angeschafft.

1853, 26. März: Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt. Nr. 10. Verzeichniß rechtskräftig gewordener, in Gemäßheit des Art. 30 des Strafgesetzbuchs bekannt zu machender Strafurtheile der Gerichte der Provinz Rheinhessen. Es wurden verurtheilt: I. Von dem Großh. Assisengerichte zu Mainz. (…) 5) Johann K., Leinweber aus Gaualgesheim, wegen Versuchs des ausgezeichneten Diebstahls und des einfachen Diebstahls, in fortgesetzter Handlung verübt, durch Urtheil vom 28. Juli 1852, in eine Zuchthausstrafe von 4 Jahren, geschärft in den letzten 8 Tagen eines jeden halben Jahres durch einsame Einsperrung und Kostbeschränkung; sodann zur Stellung unter polizeiliche Aufsicht während 4 Jahren nach erstandener Strafe.

1853, 12. Mai: Großherzog Ludwig bestätigt das Stadtwappen: „In Rot übereinander zwei durch eine Doppelaxt miteinander verbundene silberne Räder“.

1853, 12. Juli: Der Veterinärarzt Johann Baptist Müger zu Viernheim wird zum Kreisveterinärarzt für den Bezirk Bingen mit dem Amtssitze zu Gaualgesheim ernannt. Der Amtssitz wird am 30. Juli 1853 von Sprendlingen nach Gau-Algesheim verlegt.

1853, 3. Oktober: Das Gr. Oberappellations- und Cassationsgericht in Darmstadt als Cassationshof erkennend, verwirft einen „Cassationsrekurs der Staatsbehörde an Gr. Polizeigericht zu Oberingelheim theils als unbegründet, teils als unzulässig.“ Damit wurden sieben Musiker aus Bingen und einer aus Kempten sowie der Gaualgesheimer Wirth Friedrich Kaiser vom Vorwurf, einen „die öffentliche Ruhe und Ordnung störenden Lärm verursacht“ zu haben, freigesprochen. Die Musiker waren beschuldigt worden, anlässlich der Kirchweihe in der Nacht vom 22. auf 23. August das Heckerlied gespielt zu haben; der Wirt Friedrich Kaiser aber sei, obwohl „bürgerlich verantwortlich“, nicht eingeschritten. Die darmstädter Verhandlung ergab, dass zwar „von mehreren heute unbekannten Personen“ das „als aufrührerisch erkannte sogenannte Heckerlied“ gesungen worden sei, die Musiker aber „die Melodie gleichlautend mit der zu dem Lied Schleswig-Hostein“, das nicht als aufrührerisch gelte, spielten.

1856, 24. August: Für ein gelungenes Sängerfest erhalten von den auswärtigen Gästen das "freundliche Städtchen" und der "aufs Geschmackvollste hergerichtete sehr geräumige Garten des wackeren Gastwirths Kaiser" ein großes Lob.

1858, November: Dem Landwirtschaftlichen Verein des Großherzogtums Hessen, Provinz Rheinhessen gehören aus Gau-Algesheim an: Bürgermeister Quirin Ewen, Bäcker Carl Kahlen, Kreisveterinärarzt Johann Baptist Müger, Lehrer Joseph Nikolaus Gölz, Landwirt Johann Baptist Mayer, Landwirt Philipp Hessel und Landwirt Theobald Kayser.

1859, 17. Oktober: Die hessische Ludwigsbahn Mainz – Bingen und der Gau-Algesheimer Bahnhof werden eingeweiht. Am Bahnhof hält der erste Personenzug. Nach Mainz fahren nach dem Fahrplan vom 17. Oktober 1859 von Gau-Algesheim aus Personenzüge mit Abteilen I., II. und III. Klasse um 6.34 Uhr, 12.02 Uhr und 18.37 Uhr. Von Mainz kommende Personenzüge fahren um 8.49 Uhr, 14.22 Uhr und 20.44 Uhr weiter nach Bingen. Die Fahrzeit nach Mainz beträgt eine Dreiviertelstunde, nach Bingen 16 Minuten. Die Fahrpreise betragen in der I. Klasse 1 fl. 3 kr., in der II. Klasse 39 kr., in der III. Klasse 27 kr. Die Züge bedienen die Strecke Mainz – Bingen. Einen Anschluss nach Kreuznach gibt es mit der preußischen Rhein-Nahe-Eisenbahn-Gesellschaft in Bingerbrück.

Im folgenden Jahr (1860) verkauft die Station Gau-Algesheim der Hessischen Ludwigsbahn an Einfachen Billets 17 in der I. Klasse, 1.315 in der II. und 10.283 in der III. Klasse; an Retour-Billets 488 in der II. und 8.600 in der III. Klasse, dazu 1.500 Marktbillets und 236 für Militärpersonen. Neben den insgesamt 22.439 Fahrkarten für Personen werden 176 für Hunde verkauft. Mit der Beförderung von Personen und Gepäck erzielt die Station Einnahmen in Höhe von 6.641 Gulden (fl.) und 37 Kreuzer (kr.).

1860, 16. Juni: Gründung einer freiwilligen Feuerwehr. Sie wird gleich in den ersten Wochen von der Stadt vorzüglich mit Gerätschaften und Uniformen ausgestattet, präsentiert sich bei der Feuerwehrmännerversammlung in Mainz am 1.-3. September 1860 und erntet von allen Seiten Lob bei ihrem ersten Einsatz am 29. Oktober 1860 beim Brand der Spinnerei F. A. Vollmar und Sohn in Kempten.

1861, 20. Mai: Nachdem im April 1853 Nikolaus Hattemer, Salzgasse 2 den Postbotendienst übernommen hat, wird jetzt eine Postablage der Turn- und Taxis’schen Postbehörde eingerichtet, die 1867 zur Postexpedition erweitert und 1876 in ein Postamt umgewandelt wird.

1862: Als erste Fabrik in Gau-Algesheim gründet Georg Presser (1835-1898) ein Imprägnierwerk.

Vollendung der Provinzialstraße von Gau-Algesheim nach Ober-Hilbersheim über eine Strecke von 3050 hessische Klafter (ca. 7.625 m).

1863, 28. Mai: Im Hotel Kaiser findet hinter verschlossenen Türen eine Konferenz für die katholische Geistlichkeit zu den im Darmstädter Landtag anstehenden Kirchen- und Schulfragen. Die Konferenz endet mit einer Ergebenheitsadresse an Bischof Wilhelm Emmanuel von Ketteler. Die "Wiener Kirchenzeitung" vom 17. Juni 1863 druckt die Adresse der "freien Konferenz" an Bischof Ketteler ab. Der national-liberale "Rheinhessische Beobachter" aus Ingelheim begleitet die Konferenz genüsslich kritisch.

1863, 28. Juli: Von einem Großbrand sind mehrere Häuser und Scheunen in der Weingasse, auf dem Kegelplatz und im Bleichgässchen betroffen.

1864, 16. Januar: Das Großherzogliche Assisengericht der Provinz Rheinhessen zu Mainz verurteilt durch Urteil vom 16. Januar 1864 a) Jacob B., Schuhmachergeselle von Gau-Algesheim, wegen schwerer Körperverletzung und intellectueller Urheberschaft an dem Verbrechen des Meineides zu 3 Jahren Correctionshaus, b) Johann H., Schuhmachergeselle und c) August K., Maurergeselle, beide ebenfalls von Gau-Algesheim, wegen Meineids zu je 1 Jahr Correctionshaus.

1864, 15./16. September: Der landwirtschaftliche Verein der Provinz Rheinhessen feiert unter seinem Vereinspräsidenten Johann Pfannebecker (Worms) und dem Präsidenten des Festkomitees Bürgermeister Etienne (Stephan) George (Büdesheim) in Gau-Algesheim ein landwirtschaftliches Fest mit Tier- und Geräteschauen, Wettbewerben und Preisverleihungen an Feldschützen, Dienstboten, Knechte und Mägde.

1864, 28. September: Nach einer Meldung des "Rheinhessischen Beobachters" tritt der Stenographenverein Gau-Algesheim unter seinem Vorsitzenden Quirin Mayer dem Rheinischen Stenographen-Bund bei. Der Rheinische Stenographen-Bund praktiziert die Methode des Begründers der kursiven Buchstabenkurzschrift Franz Xaver Gabelsberger (1789-1849).

1867, 8. Dezember: Für die Jugendlichen aus landwirtschaftlichen Betrieben wird eine Sonntagsschule als beruflich orientierter Fortbildungsschule eingerichtet. Sie wird 1868 um eine Handwerkerschule erweitert, die sich allerdings auf einen Zeichenunterricht am Sonntag beschränkt.

1869: Die Gebrüder Richard Ernst und Carl Avenarius gründen eine Fabrik zur Produktion verzinnter gußeiserner Schnellkochtöpfe, unverzinnter Schnellbrater, Dampf-Waschkessel und Dampf-Futterkessel. Für die Erfindung eines Apparates „zum Erhitzen der Fässer behufs ihres Auspichens“ und eines „Maisch-Destillir-Apparates“ erhalten die Gebrüder Avenarius 1871 Privilegien für ganz Österreich-Ungarn. Zum Nutzen der heimischen Weinbauern beginnt der Betrieb mit praktischen Versuchsreihen zur dauerhaften Imprägnierung von Wingertstickel, um die Pfähle vor Fäulnis zu schützen.

1869, 1. Oktober: Der Mainzer Bischof Wilhelm Emmanuel von Ketteler überträgt Peter Koser (1834-1891) die Leitung der Pfarrei Gau-Algesheim, die Koser bis 1889 innehat.

Der Amtsantritt Kosers fällt zusammen mit der Gründung der Verlagsdruckerei Carl Reidel und der Herausgabe des „Rheinischen Volksboten“, der bis 1921 erscheint. Der "Rheinische Volksbote" und der in Ingelheim erscheinende "Rheinhessische Beobachter" liefern sich über viele Jahre heftige Auseinandersetzungen zu den kontroversen Themen der Zeit.

1869, 26. November: Auf dem Bahnsteig des Gau-Algesheimer Bahnhofs stirbt Katharina Avenarius geb. Mäckler, als sie von der Lokomotive eines vorbeifahrenden Güterzuges erfasst wird.

1871, 2. Oktober: Ernst Jacob Wilhelm Hornay, 1815 in Recklinghausen geboren, der bis dahin als Lehrer in Ingelheim amtiert, wird erster Leiter des von der Hessisch-Großherzoglichen Oberstudiendirektion in Darmstadt am 1. September 1871 genehmigten evangelischen Oehler'schen Privat-Instituts in Gau-Algesheim. Nach dem Tode Hornays am 17. Januar 1874 in Gau-Algesheim wird die Schule geschlossen.

1871, 23. Oktober: Die Großherzogliche Oberstudiendirektion in Darmstadt genehmigt auf Antrag von Pfarrer Koser die Einrichtung einer katholischen Präparandenanstalt ("Lateinschule", "Allesemer Hochschul'") im heutigen Haus Kronenberger, Neugasse 7. Die Schule, an der neben den Geistlichen der Pfarrei auch weltliche Lehrer unterrichten, wird von Schülern aus Gau-Algesheim und den umliegenden Gemeinden besucht und existiert bis 1894.

1873, Juni: Bei einer Feier anlässlich des 25jährigen Regierungsjubiläums von Großherzog Ludwig III. treten in Gau-Algesheim die Unterschiede zwischen der konservativ-katholischen Bevölkerungsmehrheit, vertreten durch Pfarrer Peter Koser, und dem national-liberalen Teil, vertreten durch den Unternehmer Richard Avenarius, offen zu Tage.

1873, 7. September: Im III. Beiblatt zum politisch-satirischen „Kladderadatsch“ schreibt N.N. aus Elberfeld: „Das uns gedruckt vorliegende Programm der öffentlichen Prüfung des Oehler’schen Instituts in Gau-Algesheim und die demselben beigefügte Einladung erinnert in Styl und Tendenz lebhaft an die Hoff’schen Malz-Extract-Reklamen.“ Drei Wochen später ergänzen R.A. und Genossen im III. Beiblatt vom 28. Septemer: „Unsere Bemerkung war zunächst durch die schwülstige Form des uns gedruckt vorliegenden Programms veranlaßt. Ist die Sache besser als die Form, so soll es uns umso mehr freuen, je mehr das Oehler’sche Institut ein Gegenstand ultramontaner Angriffe ist.“

1873 bis 1875: Erweiterung und Renovierung der Synagoge in der Querbein.

1874, 9. Dezember: Wahlaufruf des Rheinischen Volksboten: "Wähler Gau-Algesheims! - Mitbürger! Seit 27 Jahren steht Herr Quirin Ewen III an der Spitze unserer Gemeinde. Seit 27 Jahren, fast ein Menschenalter, war sein ganzes Wirken, all sein Schaffen und Streben dem Wohle der Gemeinde, dem Besten seiner Mitbürger gewidmet. Und die Gemeinde weiß den Mann zu schätzen, sie ist stolz auf ihren Bürgermeister. Und dieser Mann will die Wahl ablehnen! Wer soll ihn denn uns ersetzen? Nein! Und abermals Nein! Wir wollen und können ihn nicht entbehren, darum eilen wir Alle zu Wahlurne und wählen unseren alten, erprobten Bürgermeister Quirin Ewen III."

1875: Bau einer Gemeindestraße auf den Laurenziberg.

1875, 1. Oktober: Johannes Hassemer eröffnet eine Buchhandlung mit Schreibwarenhandlung und führt auch alle Buchbinderarbeiten aus.

1876: Richard Avenarius bringt das Anstreichmittel "Carbolineum" in den Handel und findet damit Kunden im In- und Ausland. Gegenüber dem ursprünglich aus filtrierten und destillierten Anthracenöl hergestellten Produkt wird Carbolineum, mit Zusätzen verbessert, 1888 als Schutzmarke patentiert (Avenarius Carbolineum, D.R.P-Deutsches Reichspatent 46021/1888). Solange der Markenschutz fehlt, vertreiben viele Konkurrenten, darunter die „Carbolineum-Fabrik Georg Presser“, ihre Produkte unter demselben Namen.

1878, 26. Mai: Pfarrer Koser initiiert die Gründung eines „Credit- und Sparvereins“, der am 1. September 1878 mit 64 eingeschriebenen Mitglieder offiziell seine Tätigkeit aufnimmt.

1880: Pfarrer Koser ruft zur Gründung eines „Vereins für die Kinderbewahranstalt“ auf.

1880, 19. Dezember: Ein nach der Revolution 1848/49 aus politischen Gründen aufgelöster Turnverein wird als Turnvereins „Eintracht“ neugegründet. Gründungsmitglieder sind: Carl Ferber (1. Vorsitzender), Josef Feser, Bernhard Hassemer, Quirin Theobald Hattemer, Josef Heinrich, Wilhelm Johann Hessel, Peter Kleisinger, Otto Kraus, Peter Metz, Heinrich Schrank, Heinrich Voos, Johann Voos, Martin Voos.

1881: Eine Gruppe von 15 Mitgliedern des Gesangvereins „Caecilia“ gründen zur Intensivierung der Chorarbeit einen neuen Verein. Im ältesten Gau-Algesheimer Gesangverein „Cäcilia“ waren bereits der „Kirchengesangverein 1863“ und der „Feuerwehr-Gesangverein“ aufgegangen. Die Mitglieder des neuen Vereins kamen wohl aus den beiden aktiven Gesangvereinen, aber auch Sänger des ehemaligen „Feuerwehr-Gesangverein“ und vor allem junge sangesfreudige Gau-Algesheimer ohne Vereinserfahrung waren dabei. Den Gründern, die eher aus dem aufstrebenden Bürgertum kamen, war es offenbar ernst mit der Intensivierung der Chorarbeit, denn der Verein nahm lange vor der „Cäcilia“ an Gesangswettstreiten teil.

1882, 7. Dezember: Ein Hilfs-Comité ruft zu Geld- und Sachspenden für die Opfer der Überschwemmungen in Rheinhessen auf. Den Aufruf unterzeichnen: Edmund Gaßner, Notar, Emil Jöckel, Apotheker, August Kleisinger, Bürgermeister, Peter Koser, Pfarrer, Isaac Nathan, Kaufmann, Nikolaus Schmitt, Gutsbesitzer.

1883: In der J. G. Faber'schen Buchhandlung zu Mainz, gedruckt und verlegt bei Karl Reidel, Gau-Algesheim erscheint die von Karl Johann Brilmayer verfasste "Geschichte der Stadt Gau-Algesheim".

Errichtung eines Friedhofs im Herzenacker jenseits des Welzbaches an der heutigen Bergstraße.

1887 bis 1889: Erweiterung der kath. Pfarrkirche St. Cosmas und Damian durch den Limburger Diözesanbaumeister Maximilian Emanuel Franz Meckel (1847-1910).

1888: Gründung des Katholischen Kirchenmusik-Vereins. Erste Mitglieder sind: Jakob Bischel, Kaspar Bischel, Georg Dengler, Georg Franz Dengler, Wilhelm Ewen, Joh. Baptist Eduard Hattemer (Vorsitzender), Philipp Hattemer, Peter Hellmeister II., Nikolaus Kornely, Philipp Litzius, Anton Lukas, Hieronymus Mehler, Wilhelm Ockstadt, Johann Wilhelm Schmitt, Quirin Schmitt.

1889, 18. August: Einweihung der erweiterten und restaurierten Pfarrkirche durch den Mainzer Bischof Paulus Leopold Haffner.

1890: Gau-Algesheim erhält eine zentrale Wasserversorgung.

1891, 23. April: Am Ortsausgang in der Ockenheimer Straße eröffnet Johann Gangluff eine Kalkbrennerei.

1892: Einweihung der Turnhalle in der Kloppgasse, die 1914 nach dem Anwesen Peter Kaiser in Appenheimer Straße umbenannt wird.

1894: Einweihung des Albertus-Hospitals, das vom Fabrikanten Richard Avenarius gestiftet und nach seinem 1879 früh verstorbenen Sohn Albert benannt wurde.

1896: Bau des Spritzenhauses in der Unteren Bein.

1898, 23. Mai: Gründung des Radfahrervereins Gaualgesheim im Gasthaus "Zum Deutschen Haus" von Johann Josef Schaberger an der Ecke Grabenstraße/Kloppgasse. 1. Vorsitzender Dr. med. Quirin Mayer, 2. Vorsitzender August Kleisinger, Schriftwart Jean Schaberger, Kassierer Willy Deister, Fahrwart Philipp Mergel; weitere Gründer: Martin Driesel, Quirin Feser, Georg Kiesel, Friedrich Kornely, Wilhelm Presser, Toni Reidel, Ludwig Röder, Nikolaus Rohleder, Johann Josef Schaberger, Ludwig Steil.

1899: Die Karbolineumfabrik und Imprägnier-Anstalt der Gebr. Avenarius besitzt das erste Telefon (Nr. 1) in Gau-Algesheim.