Carl-Brilmayer-Gesellschaft e. V.

  • Vom Gang der Geschichte

Logik und Dynamik der geschichtlichen Entwicklung

Idee - Ideologie - Ideologiekritik

Theodor W. Adorno - Hannah Arendt - Augustinus - Simone de Beauvoir - Ernst Bloch - Cusanus - Hildegard von Bingen - Ludwig Feuerbach - Sigmund Freud - Immanuel Kant -  Rosa Luxemburg - Karl Marx - Jürgen Mittelstraß - Thomas von Aquin -  Giambattista Vico (alle Bilder bei Wikipedia)


Zum Verhältnis von Entwicklungslogik und Entwicklungsdynamik.

Jürgen Habermas beschäftigt sich in dem Aufsatz „Zur Rekonstruktion des Historischen Materialismus“ (stw 154, Frankfurt am Main, 1976, S. 144 -199) mit der Beschreibung und der Erklärung historisch-gesellschaftlicher Entwicklungen. Er trifft dabei die Unterscheidung von Entwicklungslogik und Entwicklungsdynamik und beschreibt deren Zusammenhang.

Bei Karl Marx (MEW, Dietz Verlag, Berlin. Band 13, 7. Auflage 1971, unveränderter Nachdruck der 1. Auflage 1961, Berlin, S. 7-11) folgen die gesellschaftlichen Entwick-lungen einer zielgerichteten Logik: „In der gesellschaftlichen Produktion ihres Lebens gehen die Menschen bestimmte, notwendige, von ihrem Willen unabhängige Verhältnisse ein, Produktionsverhältnisse, die einer bestimmten Entwicklungsstufe ihrer Produktivkräfte entsprechen. (S.8) Auf einer bestimmten Stufe ihrer Entwicklung geraten die materiellen Produktivkräfte der Gesellschaft in Widerspruch mit den vorhandenen Produktionsverhältnissen (…) Aus Entwicklungsformen der Produktivkräfte schlagen diese Verhältnisse in Fesseln derselben um. Es tritt dann eine Epoche sozialer Revolution ein.“ (S. 9)

Habermas: „Wenn wir Entwicklungslogik von Entwicklungs-dynamik, also das rational nachkonstruierbare Muster einer Hierarchie von immer umfassenderen Strukturen von den Vorgängen trennen, mit denen sich die empirischen Substrate entwickeln, brauchen wir weder Unilinearität, noch Notwen-digkeit, noch Kontinuität, noch Nichtumkehrbarkeit der Geschichte zu fordern. Gewiss rechnen wir mit anthropologisch tiefsitzenden allgemeinen Strukturen. (S. 154) Habermas führt beispielhaft für solche Grundstrukturen die Bewusstseins-strukturen an, “über die Kinder heute normalerweise zwischen dem 4. und 7. Lebensjahr verfügen, sobald ihre kognitiven, sprachlichen und interaktiven Fähigkeiten miteinander integriert worden sind.“ (S. 155)

Anthropologische Bewusstseinsstrukturen haben Jean Piaget (1896-1980) und Lawrence Kohlberg (1927-1987) in ihren Be-obachtungen und Forschungen als ontogenetische Entwick-lungsstufen gewonnen und auf die Phylogese, der Entwicklung einer Gattung von Lebewesen im Sinne der biologischen Evo-lution, übertragen. Der konkreten Ereignis- und Entwicklungs-verlauf bewirkt eine schnellere oder langsamere Entwicklungs-geschwindigkeit, Stagnation oder Regression. Die Ereignis-dynamik folgt aber immer der entwicklungslogischen Partitur.