Carl-Brilmayer-Gesellschaft e. V.

Geschichtliche Gestalt von Stadt, Gemarkung und Landschaft

Die Landschaft zwischen Mainz und Bingen, die der Rhein heute von Nordost nach Südwest durchfließt, korrespondiert als Natur- wie als Kulturlandschaft mit dem Fluss und dem Rheinischen Schiefergebirge. In fast 400 Millionen Jahren hat die Landschaft ihr Gesicht vielfach geändert: Das ursprüngliche Meeresbecken im Gebiet des Rheinischen Schiefergebirges, in das Flüsse vom südlichen und östlichen Festland strömten, verflachte nach und nach, Ablagerungen türmten sich auf und wurden wieder abgetragen. Das Meer dehnte sich dann nach Osten aus und bildete das Mainzer Becken. Taunus und Hunsrück wölbten sich in der Folgezeit auf. Aber der Rhein durchbrach die Gebirgsschwelle nördlich von Bingen, verschob seine bisherige Fließrichtung nach Norden bis zum Rande des Taunus und fand letztlich seine heutige Gestalt, das doppelte Rheinknie bei Mainz und Bingen.

Besonders in der Römerzeit nahmen die Menschen mit ihren Siedlungen immer stärkeren Einfluß auf Landschaft und Klima: Siedlungen, Städte, Militärstationen und Hofstellen (villae rusticae) entwickelten sich im Schutze des Limes, Straßen erschlossen die Region und sorgten für den schnellen Transport von Truppen und Gütern. Der Druck germanischer Stämme auf die Rheingrenze seit der Mitte des 3. Jahrhunderts und deren Zusammenbruch in der Völkerwanderungszeit leiteten den Herrschaftswechsel von den Römern zu den Franken ein. Die römische Territorialverwaltung wurde durch das System der Grundherrschaft, die Eigentums- und Personenrechte miteinander verband, abgelöst. Ländliche Siedlungen, zunächst als Gehöfgruppen, entstanden in den überschwemmungsfreien Gebieten an den Wasserläufen der Täler und in der Nähe von Quellen.

Die agrarische Kultivierung des Landes, vor allem durch Acker- und Weinbau, gab der Region ein neues Gesicht. Klöster und Herrenhöfe als wirtschaftliche und administrative Anziehungspunkte, Kapellen, Kirchen und Mühlen verliehen den Siedlungen ihr eigenes Gepräge und setzten Akzente in den Gemarkungen. Was Kriege und Brände zerstörten, bauten die Menschen meist an Ort und Stelle wieder auf.

Ein starkes Bevölkerungswachstum seit dem Ende des 18. Jh. sprengte die Enge der Ortskerne samt ihren Befestigungen. Neue Landstraßen und schließlich seit der Mitte des 19. Jh. Eisenbahnen. Post-, Telefon- und Telegraphen-Verbindungen verknüpften die Orte enger miteinander. So entwickelte sich die Infrastruktur einer Industrie, die Landwirtschaft und bäuerliche Kultur an die Ränder von Gesellschaft und Ökonomie sowie in die Dorfmuseen und Reservate von Überschaubarkeit und Gemütlichkeit verdrängte.

Ein gewandeltes ästhetisches Bewußtsein und eine größere Sensibilität für ökologische Zusammenhänge weisen Stadt und Landschaft heute eine neun Wertschätzung zu. Diese beruft sich auf andere Erfahrungen und Interessen als die traditionellen bäuerlichen und handwerklichen. In immer kürzeren Abständen muss das städtische Gemeinwesen als Grund und Bühne des sozialen und kulturellen Lebens und Erlebens weiter entwickelt oder neu geschaffen werden. Auch die Pflege und Nutzung von Gemarkung und Landschaft gelten nicht mehr nur als die Sache derjenigen, die ihren Lebensunterhalt davon bestreiten.(nd)

Vor- und Frühgeschichte

"Restinventar eines ausgeraubten Fürstengrabes" (rechte Spalte, Nr. 7)

Für die Jahrtausende vor der ersten urkundlichen Erwähnung im Jahre 766 gilt das Resümee von Ronald Knöchlein, dass es nicht möglich ist, „Zusammenhänge der naturräumlichen Vorgaben der so abwechslungsreichen Gau-Algesheimer Landschaft mit dem Siedlungsverhalten der bereits vor Jahrtausenden hier anwesenden Menschen nachzuspüren“ und sichtbar zu machen. „Erst mit dem Beginn des Neolithikums, also mit dem Einzug bäuerlicher Kultur im späteren 6. Jahrtausend v. Chr. ist für den Gau-Algesheimer Gebietsausschnitt von dauerhafter Besiedlung auszugehen.“ (Ronald Knöchlein, Gau-Algesheim, Von der Vorgeschichte zur Ortsgeschichte, Mitteilungsblatt zur rheinhessischen Landeskunde, Neue Folge, Themenheft Gau-Algesheim, Jahrgang 12, Rheinhessische Druckwerkstätte Alzey, 2010, S. 5-21; 5)

Die Region zwischen Rhein und Nahe erfuhr vor allem in der Römerzeit, also in der Zeit vom 1. Jh. v. Chr. bis in die Mitte des 5. Jh. n. Chr. Veränderungen, deren Spuren bis heute sichtbar gemacht werden können: neue Siedlungsformen und eine Bevölkerung, die „direkt und indirekt im Gefolge des römischen Militärs in erster Linie aus dem Westen von Gallien her zugezogen (war). Diese Menschen waren es, die der Römerzeit in Rheinhessen ein vor allem gallorömisches Gepräge verliehen.“ (Knöchlein, S. 9)


Carl Brilmayers Stadtgeschichte von 1883

Inhaltsverzeichnis der Erstausgabe von 1883

Brilmayers Stadtgeschichte, Kapitel 1: Älteste Geschichte von Algesheim bis zu seiner Vereinigung mit dem Erzstifte Mainz im Jahre 983.

Den Landstrich zwischen Mainz und Bingen, in welchem Gau-Algesheim liegt, hatten beim Beginne unserer Zeitrechnung die Römer in Besitz. Man nimmt ziemlich allgemein an, dass wie Mainz (Mogontiacum) so auch Bingen (Bingium) durch Drusus während seiner Feldzüge in Germanien (12 - 9 v. Chr.) gegründet worden sei. Ausdrücklich erwähnt wird allerdings Mainz zuerst im Jahre 69 n. Chr. und Bingen im Jahre 70 von dem römischen Geschichtsschreiber Cornelius Tacitus (gest. um 117 n. Chr.), dem wir überhaupt einen großen Teil der Kenntnisse über unsere Vorfahren verdanken. Dieser Schriftsteller berichtet uns nämlich, dass bei einem Aufstand, in welchem sich um diese Zeit einige Deutsche Volksstämme gegen die Römerherrschaft erhoben hatten, ein Hauptanführer der Aufständischen, namens Julius Tutor, bei Bingen von dem römischen Feldherrn Sextilius Felix vollständig geschlagen worden sei. Doch blieben die Römer von dieser Zeit an keineswegs in ruhigem Besitze dieser Gegenden. Immer wieder empörten sich einzelne Völkerschaften und besonders vom dritten Jahrhundert an begannen die Einfälle der Germanen in das römische Gebiet bedeutend und fast ununterbrochen zu werden. Mainz, Bingen und der Landstrich zwischen beiden wurden während dieser Zeit wiederholt verwüstet, bis endlich die große Völkerwanderung hereinbrach, welcher das morsch gewordene Römerreich keinen Widerstand mehr zu leisten vermochte. Franken und Alamannen teilten sich in die Beute bis schließlich auch die Alamannen durch den Frankenkönig Chlodwig bei Zülpich im Jahre 496 besiegt und dem großen fränkischen Reiche einverleibt wurden. Von dieser Zeit an gehörte auch Bingen und Umgebung zum fränkischen Reiche.

Ob aber auch schon damals Algesheim vorhanden war, lässt sich bei dem Mangel jeglicher Nachrichten nur annähernd bestimmen. Zur Römerzeit wenigstens scheint es noch nicht bestanden zu haben, denn man hat bis jetzt noch nichts gefunden, was den Gedanken einer römischen Niederlassung erregen könnte. Allerdings fanden sich in nächster Nähe einige römische Gräber, aber dieser Umstand spricht noch nicht für eine römische Niederlassung, da die Römer ihre Toten vielfach an die Heerstraßen begruben und die römische Heerstraße von Mainz nach Bingen über das heutige Algesheim führte. Und nachdem die Herrschaft der Römer zu schwinden begann, und gerade in diesen Gegenden beständig Kämpfe stattfanden, und dann später im Sturme der Völkerwanderung war die Zeit auch nicht geeignet, Niederlassungen friedliebender Bürger zu gründen. Als dagegen durch den Sieg Clodwigs in der Folge ruhigere und friedlichere Zeiten eintraten und zugleich durch das Christentum Kultur und Gesittung sich verbreiteten, da war auch der Augenblick gekommen, wo die Familien sich in festen Wohnplätzen sammelten, um den Werken des Friedens, vor allem dem Ackerbau sich hinzugeben. Dabei dürfen wir uns aber nicht sofort Dörfer nach unseren jetzigen Begriffen, sondern zunächst nur große Höfe vorstellen, wie sie bei den germanischen Völkern überhaupt Sitte waren, um welche sich dann die Knechte, die den Hofherrn leibeigen waren, und welche sowohl den Feldbau als auch die häuslichen Arbeiten verrichten mussten, allmählich anbauten, und so zunächst geringere Weiler und erst später die größeren Dörfer bildeten. Sehr häufig bekamen sie dann den Namen vom ursprünglichen Erbauer des Hofes, oder, wenn mehrer Hofherrn nahe beieinander lagen, vom Besitzer des Haupthofes; bald war auch ein Berg, an dessen Fuße sie erbaut waren, bald ein Fluß, bald ein Bach u. dgl. die Ursache ihres Namens.

So mag denn das sechste Jahrhundert unserem Algesheim, sowie auch den anderen Dörfern in seiner Umgebung die Entstehung gegeben haben. Ausdrücklich erwähnt wird es zum erstenmal in einer Schenkungsurkunde an das Kloster Lorsch an der Bergstraße vom 22. November 766, vermittelst welcher Nanther und Hiltrud genanntem Kloster 30 Morgen Ackerland in „Alagastesheim“ zum Geschenk machen. Ganz ähnliche Schenkungen an dasselbe Kloster finden statt im Jahre 770 und 779, erstere bestehend in einem halben, letztere in einem ganzen Mansus und sechs Morgen Ackerland, alles gelegen zu „Alagastesheim“ im Wormsgau. Da um diese Zeit noch andere Ortschaften in der näheren Umgebung wie Dromersheim (756) , Frei-Weinheim (772) , Gaulsheim (772) , Ingelheim (774) in Urkunden erwähnt werden, so sehen wir, dass die ganze Gegend schon damals stark bewohnt war. Nur in den drei erwähnten ältesten Urkunden heißt unser Ort „Alagastesheim“, in späterer Zeit kommt er vor unter den Namen: „Alginsheim“, „Alengreheim“, „Algiesheim“, „Algesheym“, und auf dem Gerichtssiegel, das noch bis zum Ende des vorigen Jahrhunderts im Gebrauche war, heißt er „Algensheim“. Woher stammt nun aber die ursprüngliche Benennung Alagastesheim? Wir haben oben gehört, daß die neu entstandenen Dörfer vielfach nach dem Namen des Besitzers des Haupthofes genannt wurden. Mit einem solchen Fall haben wir es offenbar hier zu thun. „Alagast“ ist ein fränkischer Name, ähnlich wie Arbogast, Salogast, Bodogast, Windogast, und „heim“ heißt soviel wie Heimat, Haus. Demnach würde Alagastesheim heißen, „das Haus, die Wohnstätte des Alagast“. Wir hätten also hier an die Besitzung eines vornehmen, angesehenen Mannes mit vielen Gütern zu denken, um dessen Hof sich die Knechte und andere wenig Begüterte gleichsam als um ihr Haupt zusammenscharten und dann der ganzen Umgebung den Namen ihres Schutz- und Schirmherrn beilegten.

Fast vier Jahrhunderte lang war Algesheim unmittelbares Reichsgebiet bis es vermittelst Schenkung des Kaisers Otto II. an Erzbischof Willigis als zur Umgegend der Stadt Bingen gehörig im Jahre 983 auch in weltlicher Beziehung an das Erzstift Mainz kam, dem es in kirchlicher Beziehung von jeher angehört hatte. Erzbischof Willigis (975-1011) war es nämlich, der durch seine Befürwortung es dahin brachte, dass auf dem Reichstage zu Verona die von Kaiser Otto II. (973-983) sehnlichst gewünschte Erwählung seines dreijährigen Sohnes Otto zum Nachfolger in der deutschen Königswürde stattfand. Aus Erkenntlichkeit dafür trat Kaiser Otto II. durch eine Urkunde, welche zu Verona am 14.Juni 983 ausgestellt wurde, dem erzbischöflichen Stuhle zu Mainz alle Rechte ab, welche dem Kaiser noch in Bingen und dessen Umgebung zustanden, als: Münzrecht, Leibeignen, Höfe, Gebäulichkeiten, Wälder, Jagdrechte, Wiesen, Weiden, Weinberge, Flüsse, gebaute und ungebaute Felder, Mühlen mit allen Zubehör. 


Die Veroneser Schenkung

VERONESER SCHENKUNG OTTOS II., 14. Juni 983

Das Wappen des Kreises Mainz-Bingen vereint drei historische Symbole: den Reichsadler, das Kur-Mainzer Rad und den Kur-Pfälzer Löwen. Aus dieser heraldischen Komposition spricht die territoriale Vielfalt dieser Uferflanke des Stroms zwischen Guntersblum und Bacharach.(...) Regionale Schichten fügen sich im Kreis Mainz-Bingen zu einer Symbiose zusammen. Sie machen seinen Reichtum aus: in der Natur, in der Kultur, in der Wirtschaft. Die Geschichte heimatlicher Räume engt nicht ein. Sie verbindet mit der rheinischen Landesgeschichte (...) mit der deutschen und europäischen Geschichte. Diese Gunst gewährte eine Reichsurkunde, die Kaiser Otto II. am 14. Juni 983 in Verona für seinen Erzkanzler und Erzbischof von Mainz, Willigis, ausstellen ließ. (...) Als Kaiser Otto der Große 973 starb, war sein Sohn und Nachfolger 18 Jahre alt. Der alte Kaiser hatte Otto II. schon 961 zum deutschen König wählen und 967 in Rom zum Kaiser krönen lassen. In schwierigen Verhandlungen bewirkte er dabei auch die Anerkennung von Byzanz, die durch die Vermählung Otto II. mit der griechischen Prinzessin Theophanu besiegelt wurde. 971 ernannte Otto I. den sächsischen Geistlichen Willigis zum Kanzler des Reiches und sicherte damit dem jungen Herrscher einen immer bereiten Berater und Helfer in den schwierigen Kämpfen um die Herrschaft. (...) Den treuen Kanzler Willigis berief Otto II. im Januar 975 als Metropolit des Erzbistums Mainz und Erzkanzler des Reiches. Am 25. Januar 975 bestätigte der Kaiser auf seine Bitten alle von seinen Vorgängern der Mainzer Kirche verliehenen Besitzungen und Privilegien, Abteien und Stifte, Kirchen, Münzstätten, Zölle und Ortschaften. Schon im März 975 verlieh ihm Papst Benedikt VII. das Pallium. Gegen Kölner Ansprüche wurde dabei auch dem Mainzer Erzbischof das Recht der Krönung des deutschen Königs für ihn und seine Nachfolger zugestanden, obwohl der Krönungsort Aachen in der Kölner Kirchenprovinz lag. Dazu bestätigte der Papst den Mainzer Primat in Deutschland. (...) Noch im Herbst 980 bereitete Otto II. seine Italienreise vor, auf der ihn auch seine Gattin Theophanu und sein erst wenige Wochen alter Sohn begleiten sollten. Die Reichsregierung übernahm während der Abwesenheit des Kaisers der Erzkanzler Willigis von Mainz. (...) Der Reichstag, der nach Mitte Mai in Verona zusammentrat, war eine glänzende Versammlung weltlicher und geistlicher Großer. Außer den Kaiserinnen Adelheid, der Mutter Otto II., und Theophanu seiner Gattin, waren der Patriarch von Aquileia, an der Spitze der deutschen geistlichen Fürsten Willigis von Mainz mit den Erzbischöfen von Trier und Magdeburg, den Bischöfen von Lüttich, Regensburg, Metz und Brixen, dazu die norditali-enischen Bischöfe von Pavia, Parenzo und Como, die Äbte von Regensburg, Cluny und Kempten anwesend. Von den weltlichen Großen seien Herzog Otto von Kärnten und Gesandte aus Venedig und Böhmen genannt. (...) An den Verhandlungen in Verona hatte Willigis maßgeblichen Anteil. Zum Dank für seine Bemühungen bestätigte Otto II. ihm alle von dessen Vorfahren und ihm selbst in der Stadt Bingen erworbenen Rechte und fügte auf Bitten seiner Mutter Adelheid, seiner Gemahlin Theophanu, des Erzbischofs Giselher von Trier und des Bischofs Theoderich von Metz alles hinzu, was der Kaiser dort noch eigentümlich besaß und außer-dem den „Bannpfennig“ von der Brücke über die Selz bei In-gelheim bis Heimbach und jenseits des Rheins von der Mündung der Elzbach bei Oestrich bis Kaub mit allen Nutzbarkeiten (...)

Deutsche Übersetzung der Veroneser Reichsurkunde

„Im Namen der hl. und unteilbaren Dreifaltigkeit. Otto von Gottes Gnaden Kaiser der Römer, Augustus. Da dies gewissermaßen bei den Königen und unseren Mitkaisern als besonderes Recht bestand, die Kirchen Gottes zu stärken und alle möglichen Nutzungsrechte nach Ort und Zeit sorglich zu verleihen, so haben auch wir uns entschlossen, unter Hintansetzung von allem, den Belangen dieser Kirchen dienstfertiger zu dienen und, indem wir die menschlichen Dinge den göttlichen unterordnen, zuerst den Dienst Gottes mehr und mehr zu fördern, und dann, indem wir uns so unseres Reiches würdig erweisen, noch eifriger zu unterstützen. Daher sei es dem Eifer all unserer Gläubigen kundgetan, wie Erzbischof Willigis zu Verona an uns herangetreten ist und zugleich auch hinsichtlich des Nutzungsrechts im Gebiet von Bingen, das seine Vorgänger, die Erzbischöfe, und er selbst bis dahin innegehabt haben, was für ihn von Interesse war, um Bestätigung uns angegangen hat. Damit selbstverständlich diese Bitte Gewährung finde, hat er entsprechend seiner wohlwollenden Gesinnung, die er gegen uns und all unsere Belange immer bewiesen, das Verlangte seinem Wunsch gemäß erhalten. Überdies haben wir auf die Bitte unserer Herrin und ehrwürdigen Mutter Adelheid und auf die Verwendung unserer geliebten Gattin Theophanu desgleichen auf die Fürbitte des Erzbischofs Giselher und des Bischofs Theoderich von Metz, nicht bloß jenes bekräftigt, sondern auch alles, was wir an eignen Rechten daselbst bis dahin besessen haben, der in Mainz bestehenden und zu Ehren des hl. Martinus geweihten erzbischöflichen Kirche, welcher eben dieser Willigis dermalen vorsteht, in Eigentum öffentlich geschenkt, und zwar in der Ausdehnung, daß vorgenannter Bischof und nach ihm die anderen Vorsteher der nämlichen Kirche besagtes Recht besitzen sollen in aller Machtfülle innerhalb und außerhalb der Stadt Bingen, in allen Dingen, wo immer dieselben liegen mögen, oder wer immer dieselben als Lehen besitzt, sobald sie nur von Rechts wegen dorthin gehören; und daß ihnen zustehen soll der Bann auf dem Gebiete der Stadt und in den angrenzenden Ortschaften, sodann jener Bann, der insgemein Bannpfennig heißt, und sich diesseits des Rheines von der Brücke über die Selzbach erstreckt bis nach Heimbach, jenseits des Rheines aber von der Stelle, wo das Elzbächlein in denselben fließt (bei Oestrich), bis zu dem Dörflein Caub (cis Renum a ponte super Salisum rivum extento usque Heinbach, ac citra Renum, ubi Elisa rivulus influit, usque ad Cubam villulam), auch mit allen Vorteilen in Münze, Weinbergen, Leibeigenen beiderlei Geschlechts, Höfen, Gebäulichkeiten, Wäldern, Jagd, dem sämtlichen Waldnutzen, auch dem Nutzen von Wiesen und Weiden, Gewässern und Ablauf von Gewässern, Fischerei und Schiffszoll, der auf beiden Flüssen, dem Rhein und der Nahe, zu erheben ist, insofern derselbe gegenwärtige Abtretung berühren sollte, desgleichen von bebauten und unbebauten Ländereien, schon gehenden oder in Gang zu bringenden Mühlen, von Wegen und unwegsamen Gegenden, von Ausgangs- und Eingangszöllen, von sämtlichem ermittelten und noch zu ermittelndem Zubehör. Wenn aber jemand, von Habsucht oder irgendeiner anderen bösen Leidenschaft angetrieben, etwas von diesen Dingen an sich reißen sollte, so soll er einen angemessenen Lohn erhalten. Um diese schenkungsweise Abtretung dauerhaft festzustellen, haben wir gegenwärtiges Privileg niederschreiben und mit unserem beigedrückten Siegel versehen lassen, was wir auch mit unserer eignen kaiserlichen Hand unten bekräftigt haben. Zeichen des Herrn Otto, des großen und unbesiegten Kaisers Augustus. Hildebald, Bischof (zu Worms) und Notar, als Stellvertreter des Erzkaplans Willigis. Gegeben am 18. Tag vor den Kalenden des Juli. Im Jahre der Menschwerdung des Herrn 983, in der XI. Indiktion, 22 Jahre seit dem Königstum Ottos II., 15 Jahre im Kaisertum. Geschehen zu VERONA. Amen.''

Erstveröffentlichung des ungekürzten Textes: Anton Ph. Brück, 1000 Jahre Reichsurkunde von Verona, 983-1983, Heimatjahrbuch Landkreis Mainz-Bingen 1983, 21-28