Carl-Brilmayer-Gesellschaft e. V.

„Raum der Geschichte“ Gau-Algesheims, im 2.OG der Rathaus-Scheune

Seit 2007 unterhält die Carl-Brilmayer-Gesellschaft e.V in der Rathausscheune einen Raum mit der Darstellung der Historie Gau-Algesheims von den vor- und frühgeschichtlichen Zeiten bis zur Jetztzeit. Alt- und jungsteinzeitliche Funde werden präsentiert, darunter als Glanzpunkt das Urnenfeldergrab aus dem 12. Jahrhundert v. Chr., römische Funde, Gegenstände aus der Merowingerzeit um 600 n. Chr., der Abdruck des „Codex Laureshamensis“ mit der ersten urkundlichen Erwähnung Gau-Algesheims 766 und die Urkunden der Ernennung zur Stadt von 1332 und 1355. Zu sehen sind die Nachbildung des Atlas von Gottfried Mascop mit dem Gau-Algesheimer Stadtplan von 1577 und das Modell der Altstadt im Maßstab 1: 300 auf Grundlage des Mascop-Plans. Außerdem erläutern Illustrationen Ereignisse wie den Brand von 1690, den Grenzstreit mit Ingelheim von 1699, das Lager der französischen Armee vor der Stadt 1735 und den großen Brand von 1811. Ausführlich dargestellt ist die Entstehung Rheinhessens im Umbruch Europas 1789 bis 1816, die Auswanderungen im 19. Jahrhundert und die große Bedeutung des Gau-Algesheimer Weinbaus bis hin zur Entwicklung einer kleinen darauf aufbauenden Industrie.

Die Rathausscheune verfügt über eine behindertengerechte Toilette und einen barrierefreien Zugang zum „Raum der Geschichte“. Der Eintritt ist frei, Anmeldung beim 1. Vorsitzenden Dieter Faust, Tel.: 06725-4276 ist erforderlich.


Suche nach verschollenen Grabbeigaben

Artikel von Karl-Heinz Bungert, AZ, 16. Februar 2019

Die Urnenkammer eines vor rund 3200 Jahren verstorbenen Gau-Algesheimers deutet auf einen betuchten Mann. Jetzt wird recherchiert, welche Grabbeigaben wohl geplündert wurden.

GAU-ALGESHEIM - Seit 2007 unterhält die Carl-Brilmayer-Gesellschaft in der Rathausscheune am Marktplatz einen Raum mit der Darstellung der Historie Gau-Algesheims, von den vor- und frühgeschichtlichen Zeiten bis zur Jetztzeit. Hier werden auch alt- und jungsteinzeitliche Funde präsentiert, darunter als Glanzpunkt das Urnenfeldergrab aus dem 12. Jahrhundert vor Christus. Von Zeit zu Zeit treffen sich dort Mitglieder der Gesellschaft, wie unlängst Bürgermeister Dieter Faust, Arnold Avenarius, Helmut Becker und Dr. Michael Kemmer und fachsimpeln über die Exponate, bei denen manche Fragen noch offen bleiben. Dieses Mal ging es den Herren um das Urnenfeldergrab, das 1935 gefunden wurde.

Fund im Gewann „Trappenschießer“

In jenem Jahr stieß der Gau-Algesheimer Landwirt Johann Wendelin Hassemer (1907-1983) beim Setzen von Obstbäumen im Gau-Algesheimer Gewann „Trappenschießer“ auf seinem Acker zwischen den Bahnstrecken nach Bingen und Ockenheim auf eine massive Steinpackung knapp unter der Oberfläche des Erdbodens. Er hielt diese Ansammlung von Steinen im normalerweise steinlosen Flugsand- und Lößboden für so ungewöhnlich, dass er die Fachleute der Mainzer Altertümersammlung unterrichtete. Seine Weitsicht und seine Verbundenheit mit dem geschichtlichen Werdegang seiner Heimat bescherte Gau-Algesheim damit eine seiner bekanntesten und wertvollsten archäologischen Entdeckungen. Die fachkundige Grabung der Mainzer Forscher ergab, dass es sich um einen Grabbau der Urnenfelderzeit aus dem Zeitraum um 1200 vor Christus handelte.

Die freigelegte und dann abgebrochene Grabanlage bestand aus einem nord-süd-orientierten, rechteckigen Steinkistengrab mit einer Länge von 3,60 Metern und einer Breite von 2,40 Metern. Die aus Kalksteinbruchstücken in Trockenmauertechnik errichteten Wände besaßen noch eine Höhe von 1,30 bis 1,50 Metern.

An Grabbeigaben konnten Scherben eines Zylinderhalsgefäßes mit einem Fuß aus zehn Streben, ein kleiner Bronzering, eine bronzene Lanzenspitze und spärliche menschliche Überreste geborgen werden. Im Hinblick auf die geringe Anzahl der Grabbeigaben lässt sich schließen, dass das Grab schon zeitnah zur Bestattung geplündert worden ist. Diese Tatsache regt die heutigen Heimatforscher an, nach ähnlichen, allerdings seltenen Funden in der Fachliteratur zu suchen und gemeinsam zu überlegen, welche Grabbeigaben in Gau-Algesheim wohl in der Frühzeit geraubt worden sein könnten.

Die Scherben des Zylinderhalsgefäßes wurden im Römisch-Germanischen Zentralmuseum Mainz zusammengesetzt und zu einem Gefäß ergänzt, wie es als eine zweidimensionale Nachbildung im „Raum der Geschichte“ gezeigt wird. Dieses Gefäß fällt mit seiner Gestalt völlig aus dem Rahmen des in der Urnenfelderkultur Süd- und Südwestdeutschlands üblichen. Auch die Gau-Algesheimer Lanzenspitze ragt unter den Lanzenspitzen der süd- und südwestdeutschen Urnenfelderkultur durch ihre ungewöhnlich schlanke Form und ihre linearen Strichverzierung heraus. Ähnliche Lanzenspitzen finden sich erst wieder in Jugoslawien, Bulgarien, Kreta und Italien.

Der Bestattete war demnach im Besitz regional einzigartiger Objekte und bekleidete zu Lebzeiten mit Sicherheit eine herausragende Stellung in der Gesellschaft seiner Zeit. Daher lässt die Bestattung auf das wohlhabende Mitglied einer Gemeinschaft schließen, die vor rund 3200 Jahren im Bereich Gau-Algesheim lebte. Und diese Gemeinschaft besaß offensichtlich die notwendigen Mittel, um über die tägliche Sicherung des Überlebens hinaus auch eine solch bedeutende Grabanlage zu gestalten.

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