Carl-Brilmayer-Gesellschaft e. V.

1900 - 1945

1902: Gründung des Obst-, Wein- und Gartenbauvereins, dem Vorläufer der Gau-Algesheimer Winzergenossenschaft (1912) und des Obst- und Gartenbauvereins eGmbH (1927).

1902, 4. Januar: Der Katholische Männerverein Gau-Algesheim gibt im "Rheinischen Volksboten" die Errichtung einer Vereinsbibliothek bekannt.

1902, 15. Mai: Eröffnung der strategischen Bahnstrecke Gau-Algesheim – Bad Münster am Stein, also einer Eisenbahnstrecke, die nicht ausschließlich einem zivilen Verkehrsbedürfnis dient, sondern auch aus militärischen Gründen erbaut und betrieben wird. Von Bad Münster am Stein aus bestehen bereits Verbindungen nach Saarbrücken (Nahetalbahn) und Hochspeyer (Alsenztalbahn); bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges wird auch die Glantalbahn bis Homburg (Saar) in Betrieb genommen.

1902, 20. November. Der Ausschuss für die Errichtung einer "Bismarck-Säule" entscheidet sich gegen den vorgesehenen Standort in der Gau-Algesheimer Gemarkung für einen Ober-Ingelheimer Standort. Die Einweihung der Bismarcksäule erfolgte am 12. Mai 1912, 14 Jahre nach dem Tod des ehemaligen Reichskanzlers.

1905: Die Rheinhessenkarte, die dem Rheinhessenbuch von Karl Brilmayer beigelegt ist, weist neben den Kreisstädten Mainz, Worms, Alzey, Bingen und Oppenheim als weitere Städte Gau-Algesheim und Pfeddersheim aus. 

1906, 2. Juli: Anlässlich des 25jährigen Jubiläums des Männergesangvereins 1881 besucht Großherzog Ernst Ludwig mit Gefolge die Stadt. Die Gau-Algesheimer Radfahrer begleiten den Herrscher, der den Weg von der Wohnung von Kommerzienrat Avenarius in der Bahnhofstraße im offenen Landauer zurücklegt, zum Festplatz. Am Bahnhof hatten Frl. Mayer dem Großherzog den Ehrentrunk überreicht und Bürgermeister Kleisinger eine Ansprache gehalten. Die "Darmstädter Zeitung" meldet, dass die Zahl der Festbesucher "mit 3 bis 4000 Personen nicht zu hoch geschätzt sein dürfte." 

1906, 11. November: Erster evangelischer Gottesdienst im damaligen Hotel Kaiser. 

1907, 19. März: Mit Peter Krichten I. stirbt der letzte hiesige Freiheitskämpfer von 1848/49 an einem Herzschlag. 

1907: Mit 424,2 ha besitzt die Gemarkung Gau-Algesheim nach Nierstein (547,8 ha), aber vor Büdesheim (387,8 ha), Ober-Ingelheim (337,9 ha) und Nieder-Ingelheim (327,1 ha) das zweitgrößte Weinbergareal im gesamten Großherzogtum Hessen. (Die Rheinweine Hessens. Eine Beschreibung der einzelnen Weinbaugemarkungen mit zahlreichen Abbildungen und einer Weinbaukarte, hrsg. vom Weinbau-Verein der Provinz Rheinhessen, Hofdruckerei Philipp von Zabern, Mainz 1910, S. XXIV - XXVI).

1908, August: Der "Rheinische Volksbote" hat 3.250 Abonnenten, 452 Exemplare werden in den ca. 590 Gau-Algesheimer Haushalten gelesen. 

1909: Der Credit- und Sparverein erwirbt das Haus von Quirin Josef Mayer in der Kloppgasse 1 und eröffnet dort seine Geschäftsstelle. 

Das Elektrizitätswerk der 1869 gegründeten chemischen Fabrik der Gebrüder Avenarius versorgt die Stadt mit Strom. 

1909/1910: Errichtung einer neuen Volksschule an der heutigen Appenheimer Straße. Nachdem die Schülerzahl der Volksschule um das Jahr 1900 auf 415 gestiegen war, sah sich die Gemeinde gezwungen, ein neues Schulgebäude zu erstellen. Im Laufe der folgenden Jahre erwarb sie von Gärtner Leoff zu diesem Zweck ein Grundstück an der Appenheimerstraße. Nach einem Entwurf des Architekten Hans Becker-Büdingen führte die Firma Josef Gerharz Gau-Algesheim ab 1909 die Arbeiten am Neubau aus. An Pfingsten 1910 konnte das neue Schulhaus unter Bürgermeister Quirin Hattemer feierlich eingeweiht werden. Schulleiter war Hauptlehrer Georg Richtscheid, Schuldiener Philipp Klesy. Die Kosten für dieses Projekt beliefen sich auf 110.000 Mark. Die nicht mehr benötigten Schulen wurden von der Gemeinde für 23.500 Mark versteigert.

1910, 4. Juni: Gründung der Sportvereinigung als Fußballverein "Germania". Zu den Gründern zählen: Jakob Augustin, Johann Bischel, Franz Braun, Josef Deister, Josef Fleischmann, Matthias Groß, Karl Hamann, Fritz Hattemer, Ludwig Hattemer, Anton Huber, Georg Jouaux, Eduard Kaiser, Karl Kaiser, Johann Klesy, Wilhelm Kling, August Knaf, Franz Krichten, Kaspar Kühn, Jakob Lambrich, Karl Lambrich, Karl Münch, Adolf Rohleder, Heinrich Schmidt, Franz Specht. 

1910, 1. Juli: Der am 15. März 1868 in Bingen geborene katholische Priester Joseph Rudolf wird zum Pfarrer von Gau-Algesheim bestellt. 

1912, 6. Oktober: Gründung der Gau-Algesheimer Winzergenossenschaft. Die zunächst nur gemietete Kellerei in der Mainzer Straße wird 1917 von der Genossenschaft gekauft. 

1912: (Neu-)Gründung eines Carnevalvereins. 

1912, 21. Dezember: Durch ein "Gesetz den Bau einer Verbindungsbahn von Rüdesheim (Geisenheim) nach Sarmsheim (Ockenheim) betreffend" wird die Regierung ermächtigt, "den Betrag von 2.018.000 Mark für den Bau einer zweigleisigen Eisenbahnstrecke zu verwenden, die von der rechtsrheinischen Bahn bei Rüdesheim abzweigt, den Rhein mit einer festen Brücke überschreitet und bei Sarmsheim in die Rhein-Nahe-Bahn einmündet sowie mit der Bahn Gau-Algesheim - Münster a. Stein bei Ockenheim verbunden wird."

1913, 7. Januar: Der Wiesbadener Astronom Franz Kaiser (1891-1962) entdeckt an der Sternwarte in Heidelberg-Königstuhl einen Asteroiden "QO 1913" und nennt ihn 1926 mit Zustimmung des Stadtrates von Gau-Algesheim nach dem Herkunftsort seiner Vorfahren väterlicherseits "(738) Alagasta". 

1913, 28.-30. Juni: Der Turnverein "Eintracht" veranstaltet das 39. Gauturnfest des 5. Gaues Rheinhessen mit Teilnehmern und Kampfrichtern aus den fünf rheinhessischen Bezirken unter dem Protektorat von Kommerzienrat Richard Avenarius und Kreisrat Dr. Steeg. Als Ehrengäste kann der Turnverein Vertreter der Louisviller 1. Turnergemeinschaft und des dortigen Hessenvereins unter dem Vorsitz des gebürtigen Gau-Algesheimers Philipp Hollenbach begrüßen. 

1913, 13. Oktober: Nach einem heftigen Wahlkampf bringt die Stadtratswahl folgendes Ergebnis: 652 Wahlberechtigte, 514 Wähler, d.h. 78,8 %. Stimmenzahl der Kandidaten: Nikolaus Hattemer 2., 399 Stimmen, Quirin Ewen 6., 390 Stimmen, Adam Hollenbach, 370 Stimmen, Wilhelm Ockstadt, 338 Stimmen, Peter Kleisinger, 274 Stimmen, Dr. Heinrich Herborn, 199 Stimmen, Kaspar Hassemer, 119 Stimmen, Philipp Theis, 25 Stimmen. In der Sitzung vom 1. Januar 1914 werden das neugewählte Mitglied Peter Kleisinger durch Bürgermeister Hattemer eingeführt sowie die wiedergewählten Stadträte Quirin Ewen, Nikolaus Hattemer, Adam Hollenbach und Wilhelm Ockstadt "vom Vorsitzenden an ihre Pflichten erinnert. Herr Kommerzienrat Avenarius machte von seinem Rechte als Höchstbesteuerter, nach dem er Sitz und Stimme im Kollegium hat, Gebrauch und wohnte als sein Vertreter Herr Dr. Herborn der Sitzung bei." (Rheinischer Volksbote vom 16. Januar 1914) 

1914, 17. August: Gründung eines Ortsverbandes des Deutschen Roten Kreuzes. Das Gründungsprotokoll unterschreiben: Heinrich Kraus (Vorsitzender), Otto Weiner, Josef Ninck, Wilhelm Litzius, Anton Hollenbach, Wilhelm Huff, Hans Huff, Heinrich Schrank, Peter Metz, Karl Palzer, Wilhelm Bischel, Fritz Mayer, Johann Bischel, Ernst Carl, Joh. Wilhelm Schmitt, Philipp Hattemer, Johann Wallenstein, Johann Josef Gerharz, Josef Bungert, Philipp Klesy, Franz Benda, Wilhelm Fleischer, Franz Josef Völker.

1914, 22.-25. August: Am 24. August 1914 erfahren die Trainsoldaten Karl Josef Diehl und Philipp Lehn von der 7. Munitionskolonne des 1. Bataillons im Fuß-Artillerie-Regiment Nr. 3 auf dem Marsch von Bertrix über Herbeumont ("ganz abgebrannt") und Sainte Cécile ("ohne Stroh & ohne Decke im Gras geschlafen") zur belgisch-französischen Grenze, dass Adolf Fleischer in der Ardennen-Schlacht von Neufchateau (22. - 25. August 1914) gefallen sei. Dessen Mutter erfuhr vom Tode ihres einzigen Sohnes erst im November und veröffentlichte eine Todesanzeige im Rheinischen Volksboten vom 2. Dezember 1914: "Den Tod fürs Vaterland starb am 22. August, wie erst jetzt mitgeteilt wird, bei Maissin in Frankreich (richtig: „... in Belgien“) Reservist Adolf Fleischer von hier, der einzige Ernährer seiner Mutter, einer Witwe. Ehre seinem Andenken!" Adolf Fleischer, geboren am 21. Februar 1891, aktives Mitglied der Katholischen Kirchenmusik, war der erste Gau-Algesheimer Kriegstote; er liegt auf dem Soldatenfriedhof oberhalb von Maissin mit vielen deutschen, belgischen und französischen Toten der „Schlacht von Neufchateau“ begraben. Bis heute zieht jährlich im August eine Prozession mit Pfarrer und Kirchenmusik von Maissin hinauf zum Friedhof, wo eine Gedenkfeier abgehalten wird. 

1918, 9. Oktober: Im türkischen Adana stirbt der Ordenspriester, Missionar und Feldgeistliche Pater Bernardinus a Jesu, der als Johannes Josef Hassemer am 19. März 1878 in Gau-Algesheim geboren worden war.

1918, 11. Dezember: Der „Rheinische Volksbote“ kritisiert, in Berlin sei „eine Wirtschaft eingerissen, die jeder ehrliche und vernünftige Mensch geradezu als skandalös bezeichnen“ müsse. Die „Berliner Regierungsmethoden“ forderten das „Verlangen nach einer Lostrennung der Rheinlande und Westfalens“ heraus.

Bereits in den ersten Nachkriegsjahren hatte sich in Gau-Algesheim eine Ortsgruppe der Rheinischen Bewegung gebildet, die 1922 unter der Führung des Weinhändlers Heinrich Schweikert zahlreiche Anhänger aus dem landwirtschaftlich-katholischen Milieu versammelte.

1918, 11. Dezember: Der „Rheinische Volksbote“ kritisiert, in Berlin sei „eine Wirtschaft eingerissen, die jeder ehrliche und vernünftige Mensch geradezu als skandalös bezeichnen“ müsse. Die „Berliner Regierungsmethoden“ forderten das „Verlangen nach einer Lostrennung der Rheinlande und Westfalens“ heraus.

Bereits in den ersten Nachkriegsjahren hatte sich in Gau-Algesheim eine Ortsgruppe der Rheinischen Bewegung gebildet, die 1922 unter der Führung des Weinhändlers Heinrich Schweikert zahlreiche Anhänger aus dem landwirtschaftlich-katholischen Milieu versammelte.

1918/1919: Aus dem Weltkrieg kommen 82 Männer nicht mehr zurück.

1920, 13. Januar: Bekanntmachung des Hessischen Ministeriums des Innern im Hessischen Regierungsblatt Nr. 6 vom 6. Februar 1920: "Das Gesamtministerium hat in seiner Sitzung vom 30. Dezember 1919 auf Grund des Testaments des verstorbenen Kommerzienrats Simon Nathan in Charlottenburg die von diesem letztwillig errichteten Stiftungen „Geschwister Nathan-Stiftung in Bingen“, „Simon Nathan-Stiftung in Gau-Algesheim“ sowie „Hermann und Dorothea Nathan-Stiftung in Gau-Algesheim“ gemäß § 80 des Bürgerlichen Gesetzbuches und Artikel 7 des hessischen Ausführungsgesetzes hierzu als rechtsfähige Stiftung genehmigt."

1921, 30. Oktober: Die Katholische Pfarrkirche erhält drei neue Glocken. Nach dem Umbau des Glockenstuhls läuten die Glocken erstmals zur Jahreswende 1921/1922.

1922, 10. Juli: Gründung des „Arbeiter-Männer-Quartetts Sängerlust“. Am Montag, 10. Juli 1922, finden sich im Gasthaus von Johann Heinrich Bischel 2., gegenüber dem Bahnhof, eine Anzahl sangesfreudiger Männer, die zum größten Teil der „Cäcilia“ angehörten, zusammen, um einen neuen Gesangverein zu gründen. Einberufer ist Georg Scherffius, der diese Versammlung auch leitet. Bei dieser Gründungsversammlung wird Peter Maus zum 1. Vorsitzenden gewählt und dem neuen Verein den Namen „Arbeiter-Männer-Quartett Sängerlust“ gegeben. Die erste Gesangsprobe des neuen Gesangvereines findet bereits am 12. Juli 1922 im Gasthaus von Heinrich Hofmann in der Langgasse statt. Erster Dirigent ist Wendelin Kamp aus Kempten bei Bingen.

1923: frühes Krisenjahr, in dem das Schicksal der Republik auf des Messers Schneide stand. Gau-Algesheim im besetzten Rheinland ist von dem Ruhrkampf, dem „passiven Widerstand“, den Ausweisungen, vor allem zahlreicherer Eisenbahner, und den Bestrebungen der separatistischen „Rheinischen Bewegung“ betroffen.

1923, 13. Mai: Unter diesem Datum berichten mehrere französische Zeitungen, wie die Pariser Blätter "Journal des débats politiques et littéraires", "La Lanterne", "La Presse", „Le Radical“ oder "Le Rappel", dass während des Ruhrkampfes am Bahnhof Gau-Algesheim ein Eisenbahner namens Hissenauer, Vater von drei Kindern, sich erhängt habe, nachdem er von vier Personen, wahrscheinlich sogar Kollegen, mit dem Tod bedroht worden sei. Fritz Hissenauer hinterlässt seine Ehefrau und drei Buben.

1923, 30. Oktober: Die französische Tageszeitung "L'Ouest-Eclair" aus Rennes meldet, dass in Bingen, Gau-Algesheim, Niederingelheim, Bingerbrück, Laubenheim, Kirchberg, Castellaun und Simmern die "Rheinische Republik" "sans aucun incident, ni désordre" ("ohne einen Vorfall, ohne Unordnung") proklamiert wurde.

1924: Die Stadt Gau-Algesheim kauft das Schloss Ardeck. Die Hessische Landwirtschaftskammer verlegt dahin die 1920 gegründete Landwirtschaftsschule mit angegliederter Haushaltsschule.

1924, 14. Mai: Die katholische Pfarrgemeinde setzt mit der Errichtung der Mariensäule neben der Haupttreppe zur Pfarrkirche mit der Inschrift "Reginae Pacis" ein Zeichen des Friedens.

1925: Der Radfahrer-Verein (gegr. 1898) und der Gesangverein "Cäcilia" (gegr. 1848) können infolge der Ereignisse des Jahres 1923 ihre Jubiläen erst zwei Jahre später feiern. Sie finanzieren und nutzen das Festzelt auf der Bleiche gemeinsam, die Radfahrer am 9.-11. Mai, die Sänger am 27.-29. Juni.

1925, 12. Juli: Von Gau-Algesheim verkehrt jetzt ein Postomnibus nach Ober-Hilbersheim.

1926: Gründung der Konservenfabrik von Franz Josef Völker und der "Rheinischen Kronen-Sektkellerei" von Heinrich Schweickert.

1927, 30. März: Gründung des Obst- und Gartenbauvereins eGmbH., der die Erzeugnisse seiner Mitglieder zunächst im Hof der Winzergenossenschaft vermarktet.

1927, 22. Mai: Einweihung der evangelischen Kirche an der Schulstraße.

1928: Erstes Erscheinen eines Nachrichtenblattes der Stadt Gau-Algesheim.

1929: Der Obst- und Gartenbauverein eGmbH errichtet eine Markthalle mit Versteigerungsuhr.

1931: Gründung des Ortsvereins Gau-Algesheim der Arbeiter-Wohlfahrt.

Anton Trapp wird erster hauptamtlicher Bürgermeister der Stadt.

1931, 25. Oktober: Einweihung des Ehrenmals im heutigen Eickemeyer-Park.

1933, 5. März: Bei den Reichstagswahlen wählen in Gau-Algesheim 938 Wahlberechtigte, d.h. 46,8% (Kreis Bingen: 35,6 %) das Zentrum, 583 Wb., d.h. 29,0% (37,9 %) NSDAP (inkl. Kampfbund Schwarz-Weiß-Rot, 51 St., 2,5 %), 326 Wb., d.h. 16,3% (12,4 %) SPD und 138 Wb., d.h. 6,9% (2,3 %) KPD. Die NSDAP steigert ihren Anteil gegenüber der Reichstagswahl vom November 1932 um 235 Stimmen, d.h. 9,8 % vornehmlich aus dem Reservoir der bisherigen Nicht-Wähler. Die Zahl der gültigen Stimmen war mit 2003 St. deutlich größer als bei der vorigen Wahl, bei der sie 1774 St. betrug.

Der 7. Landtag im Volksstaat Hessen wird aufgrund des „Vorläufigen Gesetzes zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich“ analog des Reichstagswahlergebnisses neu gebildet und bringt der NSDAP die absolute Mehrheit der Stimmen und Sitze.

1933, 12. April: Das Ortsschild an der Ockenheimer Straße am Eingang zur Stadt wird mit einem Plakat überklebt. Der handgeschriebene Text:"Juden haben keinen Zutritt!"  

1933, 20. April: Bei einer Feier anlässlich des 44. Geburtstages von Adolf Hitler wird - unter Mitwirkung von Kirchenmusik und Spielmannszug - auf dem alten Friedhof (heute Eickemeyer-Park) eine "Hitler-Eiche" eingeweiht. Der Ober-Hilbersheimer Volksschullehrer und Ex-Ortsgruppenleiter Johann Gustav Stoll bringt seine Hoffnung zum Ausdruck, dass mit dieser Feier die "Schmach des Separatismus" in Gau-Algesheim getilgt sei.

Die Ingelheimer Zeitung meldet die Umbildung und Gleichschaltung des Gau-Algesheimer Stadtrates, dem die folgenden Mitglieder angehören. NSDAP, DVP, Kampfbund Schwarz-Weiß-Rot: Georg Kraus, Eduard Ebner; Heinrich Wilhelm Voos, Johann Heinrich Hessel; Zentrum: Kaspar Hassemer II., Georg Hassemer, Josef Hang, Johann Baptist Molitor, Johann Georg Bischel, Eduard Burkart; SPD: Georg Heinrich, Karl Dickenscheid.

1933, 25. April: Nach einem Bericht der Rhein- und Nahe-Zeitung gehören dem Binger Kreistag aus Gau-Algesheim Heinrich Josef Hassemer ("Römer-Heinrich") für das Zentrum und Karl Domdey für die SPD an. Nach der Selbstauflösung des Zentrums und dem Verbot der SPD verlieren beide ihr Mandat.

1933, 28. April: Die "Ingelheimer Zeitung" meldet, bei dem Weinhändler und Inhaber der "Rheinischen Kronen-Sektkellerei" Heinrich Schweickert in Gau-Algesheim sei eine "Separatistenliste" gefunden worden. Einerseits bezeichnet Heinrich Schweickert die Liste als "Abschrift von einer Abschrift" der "Rheinischen Volksvereinigung, Ortsgruppe Gau-Algesheim", anderer-seits stehen auf der Liste mehr als 80 Gau-Algesheimer, darunter alle älteren Zentrumsmitglieder, die einige Wochen später ins KZ Osthofen eingeliefert werden. Von der Existenz einer Ortsgruppe der "Rheinischen Bewegung" in Gau-Algesheim, zu der auch Bürger aus Freiweinheim, Nieder-Ingelheim, Ockenheim und Sporkenheim gehören, weiß das Reichsinnenministerium bereits seit 1922.

1933, 28. April: Die Binger Rhein- und Nahe-Zeitung berichtet, dass der NSDAP-Ortsgruppenleiter Otto Doré zahlreiche Handwerker, Gewerbetreibende und Kaufleute zu einer Kundgebung des „Kampfbundes für den gewerblichen Mittelstand“ begrüßen konnte. Dabei führte er zu den Verhältnissen in der Stadt aus: „Man habe bisher eine Müdigkeit und Trägheit in Handwerk und Gewerbe feststellen können. Heute gelte es, sich zusammenzuschließen. Nur dadurch werde der Mittelstand wieder stark und lebensfähig. Man dürfe in seinem Kollegen nicht den Feind sondern den Bruder sehen. Der Kampf müsse gegen die Schädlinge des Handwerks und des Gewerbes gehen. Dann erst werde sich der Mittelstand seinen Lebensraum in der Volksgemeinschaft erringen.“

1933, 8. Mai: Unter Überschrift "Säuberung in Gau-Algesheim" teilt die Binger Rhein- und Nahe-Zeitung mit: "Durch Erlaß der Hessischen Regierung wurden Bürgermeister Trapp und Adjunkt Domdey ihrer Aemter enthoben. Kommissarischer Bürgermeister wurde Dr. Diehl, Heidesheim und Adjunkt Erich Best, Laurenziberg."

1933, 13. Mai: Der Kolonnenführer des Gau-Algesheimer Roten Kreuzes teilt dem zuständigen Provinzial-Inspekteur Dr. med. Schlink in Alzey mit, dass der seit 1914 amtierende Kolonnenführer Heinrich Kraus sein Amt niedergelegt hat. Zusammen mit dem langjährigen Kassierer Anton Hollenbach, der gleichfalls ausscheidet, wird Heinrich Kraus sechs Wochen später ins KZ Osthofen deportiert.

1933, 18. Mai: Für den seines Amtes enthobenen hauptamtlichen Bürgermeister der Stadt Anton Trapp wird der Nationalsozialist Dr. Wilhelm Diehl als kommissarischer Bürgermeister eingesetzt. Weiter beschließt der Stadtrat - auf Antrag des Beigeordneten Erich Best im Auftrag der NSDAP - einstimmig, die folgenden Straßen umzubenennen: Die Langgasse wird nach dem amtierenden Reichspräsidenten „Hindenburg-Straße“, die Querbein „Adolf-Hitler-Straße“, die Neugasse „Werner-Best-Straße“, Kegelplatz und Kegelstraße „Horst-Wessel-Platz“ bzw. „Horst-Wessel-Straße“ benannt.

Der Gauleiter des neuen Gaus Hessen-Nassau und Reichsstatthalter des Volksstaates Hessen Jakob Sprenger wird zum Ehrenbürger der Stadt Gau-Algesheim ernannt.

1933, Mai/Juni: Vereine und Innungen in Gau-Algesheim werden z. T. gegen hinhaltenden Widerstand gleichgeschaltet. Das Arbeiter-Männer-Quartett Sängerlust wird vom 29. Juni bis 5. Oktober 1933 verboten, das Vermögen vorübergehend beschlagnahmt und erst nach Ablegung der Bezeichnung „Arbeiter“ im Vereinsnamen wieder zugelassen. Von seinem jüdischen Chorleiter Fritz Jäger muss sich der Verein trennen.

1933, 27. Mai: Die Ingelheimer Zeitung berichtet von der Gleichschaltung des Turnvereins 1880 Gau-Algesheim.

1933, 8. Juni . Die Rhein- und Nahe-Zeitung meldet die Gründung einer Reiterabteilung des Stahlhelms, Bund der Frontsoldaten, Ortsgruppe Gau-Algesheim. Interessierte können sich bei Georg Presser melden.

1933, 16. Juni: Die Freiwillige Feuerwehr wird „gleichgeschaltet“. Der bisherige Kommandant Wilhelm Hattemer legt sein Amt nieder; er gehört zu den Männern, die wenige Tage später ins KZ Osthofen eingeliefert werden.

1933, 19. Juni: Im Rahmen der „Gleichschaltung“ der Vereine wählt der Radfahrerverein 1898 seinen bisherigen Vorsitzenden Wilhelm Hassemer „mit vollem Vertrauen zu seinem ersten Führer“.

1933, 1. Juli: Im Zuge einer reichsweiten Aktion gegen katholische Organisationen durchsucht die Gau-Algesheimer Polizei Akten und Unterlagen der "Marianischen Jünglingssodalität", beschlagnahmt vorübergehend das gesamte Vereinsvermögen und zieht das Kassenbuch sowie das Sparkassenbuch ein.

1933, 3. Juli: Nach einer Veröffentlichung im Friedberger "Oberhessischen Anzeiger" wird mit Wirkung vom 1. Juli 1933 ab Oberstudiendirektor Dr. Karl Weiner, Leiter der Staatlichen Studienanstalt für Mädchen in Offenbach, aus dem Hessischen Staatsdienst entlassen. Karl Adam Weiner stammt aus Gau-Algesheim, legte das Abitur 1906 am Großherzoglich Hessischen Gymnasium Bensheim ab und promovierte 1916 an der Hessischen Landesuniversität Gießen mit einer Dissertation zum Thema "Die Verwendung des Parallelismus als Kunstmittel im englischen Drama vor Shakespeare".

Auf den umfangreichen Listen der Beamten, die entlassen werden, weil sie "nach ihrer bisherigen politischen Betätigung nicht die Gewähr dafür bieten, daß sie jederzeit rückhaltlos für den nationalen Staat eintreten", befinden sich auch der jüdische Lehrer Ludwig Langstädter und der Studienrat Karl Balser aus Ingelheim.

1933, Juli: Der bisherige Notar Otto Hirschbrand gibt sein Amt auf und zieht mit seiner Familie nach Wiesbaden.

Juli 1933: Gau-Algesheimer Männer, überwiegend Mitglieder des Zentrums (Wilhelm Günther, Martin Hassemer, Philipp Hassemer, Wilhelm Hattemer, Anton Hollenbach, Matthias Kaiser, Heinrich Kraus, Wilhelm Ockstadt, Heinrich Schweickert, Franz Josef Völker) und zwei Sozialdemokraten (Karl Hofstetter und Wilhelm Schühle), werden ins Konzentrationslager Osthofen verschleppt.

Die Binger Rhein- und Nahe-Zeitung meldet am 1. Juli 1933: "In der letzten Nacht kam es zu Kundgebungen gegen die als Separatisten bekannten Personen. Sieben Personen mußten in Schutzhaft genommen werden und sind nach Osthofen transportiert worden." So soll die Deportation als Aktion des "gerechten Volkszorns" gegen die "Separatisten und Vaterlandsverräter" dargestellt werden.

1933, August: Der Beigeordnete und NSDAP-Ortsgruppenleiter Erich Best wird zum Bürgermeister bestellt.

1933, 1. Oktober: Der gebürtige Gau-Algesheimer Heinrich Vogt (1890-1968), seit 1929 Ordinarius für Astronomie, Direktor der Sternwarte und Vertrauensmann der NSDAP-Kreisleitung an der Universität Jena, übernimmt den Lehrstuhl für Astronomie an der Universität Heidelberg und die Leitung der Landessternwarte auf dem Königstuhl.

1934, 22. Januar: Die 1887 gegründete „Casino-Gesellschaft“, der die besseren „liberalen“ Kreise, darunter zahlreiche jüdische Gau-Algesheimer, angehören, wird aufgelöst.

1934, 1. Mai: Beim Umzug am 1. Mai tritt unter der Leitung von Bernhard Kaiser der Spielmannszug der DJK zum letzten Mal auf. Nach dem Verbot der DJK werden dessen Mitglieder in die Katholische Kirchenmusik aufgenommen.

1934, 22. Juni: Trotz der von der Verbandsführung angeordneten "Militarisierung" (Führerprinzip, Aufnahme von Disziplinen wie Geländeübungen, Schießen oder Handgratenwerfen) des katholischen Sportverbandes "Deutsche Jugendkraft" (DJK) wird durch eine Polizeiverordnung des Gaus Hessen-Nassau den gesellschaftlichen Aktivitäten und sportlichen Betätigungen der Gau-Algesheimer DJK ein Ende gesetzt.

1935, 28. Mai: Das Nachrichtenblatt veröffentlicht die Liste der Erbhöfe in Gau-Algesheim und auf dem Laurenziberg.

Gau-Algesheim 1. Johann Boller und Ehefrau Margarete geb. Boller, Mühlen 7, „Kreuzmühle“ 2. Karl Josef Diehl und Ehefrau Hildegard geb. Kaiser, Kloppgasse 10, „Lorenzihof“ 3. Karl Hassemer und Ehefrau Katharina geb. Zimmer, Hindenburgstraße 16, „Hassemer-Zimmer-Hof“ 4. Franz Heinrich Hattemer und Ehefrau Maria geb. Specht, Hindenburgstraße 8, „Kronenhof“ (ebenfalls Hindenburgstraße 8: Theobald Joh. Bapt. Hattemer) 5. Theobald Karl Hattemer, Hindenburgstraße 14, „Quirinshof“ 6. Heinrich Hemmes 3 und Ehefrau Josefa geb. Hemmes, Gartenfeldstraße 1, „Gartenfelderhof“ 7. Peter Friedrich Karl Kahlen, Ockenheimer Straße 5, „Schillerhof“ 8. Franz Peter Mayer, Hindenburgstraße 10, „Sternenhof“ 9. Bernhard Josef Schmitt und Ehefrau Maria geb. Hessel, Adolf-Hitler-Straße 13, „Schlößchenhof“

- Hindenburgstraße = Langasse; Adolf-Hitler-Straße = Querbein - 

Laurenziberg 1. Martin Best, „Martinshof Laurenziberg“ 2. Christoph Zelt 1. und Ehefrau Katharina geb. Boller, ohne Namen 3. Johann Zelt 1. und Ehefrau Charlotte geb. Raab, ohne Namen

1935, 20.-22. Juli: Das 75jährige Jubiläum der Freiwilligen Feuerwehr feiern unter dem Protektorat von Bürgermeister Best 61 Feuerwehrmänner, der Kommandant Johann Baptist Dickenscheid und Kreisfeuerwehrführer Ferdinand Trapp mit Gästen aus der Stadt und dem Umland.

1936, 31. März: Nathan, Simon Josef, der am 25. November 1931 sein Geschäft als Metzger und Viehmakler in der Ingelheimer Str. 10 angemeldet hatte, meldet sein Gewerbe am 31. März 1936 ab. Bereits im Jahre 1935 meldete der Viehhändler sich zusammen mit seiner Tochter Hertha (geb. 1906) von Gau-Algesheim ab. Sie zogen nach Koblenz. Simon Nathan (geb. 1871) starb in Luxemburg, seine Frau Eva, geborene Levi, in New York und eine Tochter Margret in der Schweiz, Herta lebte zuletzt in New York.

1937, 12. Februar: Der Mainzer Fritz Diehl bringt das Hockey nach Gau-Algesheim und findet 1936 Anklang bei Erwachsenen und Jugendlichen.1937 wird der Hockey-Club Gau-Algesheim gegründet, der bald Leichtathletik, Tischtennis und Wandern in sein Programm aufnimmt.

1937, 27. Juli: Rosa Nathan geb. Marx aus der Weingasse 25 wird als letzte jüdische Gau-Algesheimerin auf dem Judenfriedhof beerdigt.

1937, 11. Oktober: Die Binger "Rhein- und Nahe-Zeitung" berichtet unter voller Nennung des Namens und der Adresse, dass ein Gau-Algesheimer an den Pranger gestellt wurde. Am Rathaus war eine Tafel mit folgender Aufschrift angebracht: "Volksschädling übelster Sorte! Bei Felddiebstählen wurde aufgegriffen: F. K., NN-Straße 15."

1937, 18. Oktober: Unter diesem Datum meldet die Rhein- und Nahe-Zeitung, dass "auf dem Anwesen der Wwe. Franz Josef Reitz mit dem Bau eines Lichtspieltheaters begonnen wurde" und sich "die Ortsbehörde mit dem Gedanken" trägt, "im Brühl auf gemeindeeigenem Gelände eine Schwimmbadeanstalt sowie Sportplatz und Schießstand zu errichten."

1938: Nach dem Einwohnerbuch für den Kreis Alzey und Kreis Bingen Land von 1938 bilden neben Bürgermeister Erich Best und den Beigeordneten Johann Friedrich Kornely und Wilhelm Philipp Huff die Ratsherren Otto Doré, Franz Hang, Josef Georg Martin Kaiser, Wendelin Kölsch, Dr. Hans Matthes, Franz Sommer und Karl Voos den Stadtrat.

1938, 5. Februar: Das neue Gau-Algesheimer Kino wird mit dem Film "Unternehmen Michael", einem Propagandafilm, der an der Westfront 1918 spielt, eröffnet. In den Hauptrollen sind Heinrich George, Mathias Wiemann und Willy Birgel zu sehen.

1938, 1. April: Das Nachrichtenblatt meldet: "Gau-Algesheim konnte den Führer grüßen. Gestern nachmittag zwischen 3 - 4 Uhr passierte der Führer im Sonderzug, von Köln kommend, unsere Station. An allen Uebergängen hatten die Volksgenossen in großer Zahl Aufstellung genommen und am Winzerhaus begrüßte die Kirchenmusik den Führer. Mit geringer Geschwindigkeit passierte der Zug die Station und man konnte den Führer gut sehen, der die lebhafte Huldigung dankend entgegennahm. Reichen Flaggenschmuck hatte Gau-Algesheim zur Begrüßung des Führers angelegt."

1938, 4. Oktober: Die Ingelheimer Zeitung meldet, dass "wegen staatsfeindlicher Äußerungen" der Gau-Algesheimer Bauer Josef Karl Diehl festgenommen und in das Amtsgerichtsgefängnis Ober-Ingelheim eingeliefert“ wurde. „Als eingeschriebenes Mitglied der damaligen rheinischen Volksbewegung“ habe „er den aktiven separatistischen Kreisen“ angehört.

1938, 21. Oktober: Nach einer Meldung der Binger "Rhein- und Nahe-Zeitung" wurde ein auf dem Laurenziberg beschäftigter Melker "wegen staatsfeindlicher Äußerungen" festgenommen und dem Amtsgericht Ober-Ingelheim zugeführt.

1938, 23. Oktober: Festveranstaltung im Saalbau Kühn zum 50jährigen Stiftungsfest des Katholischen Kirchenmusikvereins unter dem Protektorat von Geistl. Rat Joseph Rudolf und der Leitung von Chormeister Heinrich Geisendörfer.

1938, 7. Dezember: Die hessische Landesregierung gibt eine Verfügung von Heinrich Himmler (RFSSuChdDtPol) bekannt, die im Ergebnis der Freiwilligen Feuerwehr das Tragen des „Himmels“ bei sakramentalischen Prozessionen verbietet.

1938, 9. Dezember: Elisabeth "Betti" Mayer geb. Nathan verlässt als letzte Jüdin Gau-Algesheim, nachdem sie ihr Elternhaus in der Weingasse 25 unter Wert hatte verkaufen müssen,und kehrt nach Frankfurt zurück.  Ihr Gau-Algesheimer Nachbar Josef Moritz, der sie auf dem Weg von der Wohnung zum Bahnhof unterstützt, wird vom amtlichen "Nachrichtenblatt" mit der Bemerkung diffamiert: "Wer Juden bedauert und Freundschaft mit ihnen hält, ist ein Lump und Verräter!"

Der Umzug rettet Elisabeth Mayer nicht das Leben. Sie lebt in Frankfurt zunächst in der Gaußstraße 41, später in der Jahnstraße. Im Jahre 1941 wird sie in das Frankfurter Ghetto Quinckestraße 13 (seit 1879 und heute wieder Königswarter Straße) zwangsumgesiedelt. Am 21. November 1941 wird Elisabeth Mayer mit 988 Leidensgenossen von der Rampe der Frankfurter Großmarkthalle aus nach Kowno (heute: Kaunas) in Litauen deportiert. Alle nach dort Verschleppten, wie auch die aus Berlin und München dort angekommenen Juden, werden am 25. November 1941 im Fort IX erschossen. Überlebende gibt es nicht. Leopold Mayer (Léo Maillet) erhält erst im Jahre 1953 durch seine Tante Lina in Amerika Kenntnis von dem Schicksal seiner geliebten Mutter und muss beim Frankfurter Amtsgericht ihre Todeserklärung beantragen.

1939, 7. Januar: Nach dem "Eintopfsonntag" sammelt die NS-Volkswohlfahrt in Gau-Algesheim 233,50 Mark.

1939, 10. Februar: Als Vorsitzender der Kreisabteilung Bingen des Deutschen Gemeindetages lädt Bürgermeister und Ortsgruppenleiter Erich Best die Bürgermeister des Kreises zu einer Arbeitstagung ins Winzerhaus ein.

1939, 7. Mai: Unter der Leitung des Kreiskriegerführers Georg Presser findet der Kreiskriegertag in Gau-Algesheim mit mehr als 1.000 zum Appell angetretenen Mitgliedern statt.

1939, 21. Oktober: "Ein Transport polnischer Gefangener, die in der Landwirtschaft Beschäftigung finden" sollen, ist in Gau-Algesheim eingetroffen. Die 20 Gefangenen werden auf den Laurenziberg und die Nachbargemeinden Appenheim und Ober-Hilbersheim verteilt.

1945, 2. Februar: Richard Möbius, dessen Kinder Ernst und Emmi 1943 bzw. 1944 in der "Heil- und Pflege-Anstalt" auf dem Eichberg im Rheingau ermordet werden, stirbt im Lager Ohrdruf bei Gotha, einem Außenlager des KZ Buchenwald. Richard Möbius und seine Kinder vom Laurenziberg stehen auch für die anderen Gau-Algesheimer, die zwangsweise sterilisiert, im Zuge von Euthanasie-Aktionen oder durch die NS-Justiz ermordet wurden.

1945, 20. März: Von Appenheim kommend rücken US-amerikanische Infanterie und Panzer in die Stadt ein und errichten ihre Kommandatur im Schloss Ardeck. Mehr dazu hier.

1945, 26. März: Bürgermeister und NSDAP-Ortsgruppenleiter Erich Best sowie mehrere SA-Mitglieder werden, z. T. bis August 1946, in das Internierungslager Trier, das Zivil-Internierungslager Idar-Oberstein bzw. das Gefangenenlager Ludwigsburg verbracht. Ein Gesuch um Entlassung der Gau-Algesheimer Internierten an das Amerikanische Militärgericht Ludwigsburg vom 26. Februar 1946 ist von RB-Oberinspektor Martin Hassemer, Bürgermeister Josef Deister und Geistlicher Rat Dekan Joseph Rudolf, Pfarrer unterzeichnet.

1939 – 1945: In der Zeit von Diktatur und Krieg werden mehr als 200 Gau-Algesheimer getötet, ermordet oder vermisst. Fünf Gebäude werden durch Bomben zerstört.

Ab Juli 1945 werden die südwestdeutschen Gebiete der britischen und amerikanischen Besatzungszone, gemäß Berliner Erklärung der Alliierten vom 5. Juni 1945 und dem 3. Zonenprotokoll der European Advisory Commission (EAC) vom 26. Juli 1945, an die Franzosen übergeben, für die zunächst keine Besatzungszone vorgesehen ist.

1945, 10. Juli: Französische Truppen, die als Teil der alliierten Expeditionsstreitkräfte Deutschland von Westen erobern, übernehmen unter ihrem neuen Oberbefehlshaber und Militärgouverneur Marie-Pierre Koenig mit ihrer Besatzungszone auch Gau-Algesheim.

Nach dem Ende des Krieges waren Bausteine der Entwicklung des gesellschaftlich-kulturellen Lebens der Stadt mit ihren 3708 Einwohnern die Gründung eines Katholischen Kirchenchors am 14. Oktober 1945 (ab 1947 "Christian-Erbach-Chor"), die Gründung eines Bauernvereins am 26. März 1948, die Neugründung einer Ortsvereinigung des Deutschen Roten Kreuzes am 28. November 1948 sowie die Jubiläen des Gesangvereins 1848 "Cäcilia" an 3.-5. Juli 1948 und des Radfahrervereins 1898 am 28.-30. August 1948.