Carl-Brilmayer-Gesellschaft e. V.

Vom langen Schweigen der Opfer

Der (strittige) Sachverhalt

Diktatur und Weltkrieg in den 30er und 40er Jahren des vergangenen Jahrhunderts haben Not, Leid und Tod in größerem Maße über Menschen in Deutschland und Europa gebracht als ökonomische, militärische und politische Handlungen, Prozesse und Strukturen in früheren Zeiten.

Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass sich nach dem Ende von Krieg und Diktatur selbst viele Täter, Unterstützer und Ignorant-Gleichgültige als Opfer fühlten.

Auffallend und nicht von vornherein verständlich aber ist die Tatsache, dass die Mehrzahl derjenigen, die mit dem Regime nicht einverstanden waren,  Widerstand geleistet haben und deshalb mundtot gemacht und verfolgt wurden, nach 1945 lange und nicht selten bis zu ihrem Lebensende geschwiegen haben. Dagegen sind viele, die den Aufstieg des Nationalsozialismus gefördert, dessen Untaten gebilligt oder gar bei Verbrechen selbst mit Hand angelegt haben, kaum bußfertig gewesen oder waren nach einer kurzen Zeit der Zurückhaltung wieder öffentlich präsent.

Gau-Algesheimer verlieren Gesundheit oder Leben

Ludwig Hellriegel macht mit dem Leid der Familie Möbius bekannt.

Anton Maria Keim schreibt über das KZ Osthofen.

Zitat: 

In den Beiträgen zur Geschichte des Gau-Algesheimer Raumes (Heft 10, 1984: „Märtyrer 33/45. Verfolgung und Widerstand der Kirche im Bistum Mainz." S. 35 f) werden mit näheren biographischen Angaben sieben Gau-Algesheimer Katholiken genannt, die im Sommer 1933 in das KZ Osthofen eingeliefert wurden: Martin Hassemer, geboren 20. April 1912, Bahnbeamter, Vorsitzender des Jungzentrums und Leiter im katholischen Jungmännerverband. Versteckte sich zunächst wochenlang vor dem Zugriff der Nazis. Im Sommer 1933 verhaftet und drei Wochen ins KZ Osthofen verbracht. Wilhelm Hattemer, geboren 17. Juli 1879, Tünchermeister Wehrführer der Feuerwehr, Zentrumsabgeordneter im Stadtrat, Mitglied des Katholischen Männervereins. Juni/Juli 1933 zur „nationalen Erziehung" im KZ Osthofen. Matthias Kaiser, geboren 25. Februar 1881, Landwirt, Zentrumsmitglied im Stadtrat, Mitglied des Katholischen Männervereins. 1933 einen Monat lang im KZ Osthofen. Heinrich Kraus, geboren B. Januar 1867, Weinhändler, Gründungsmitglied im Katholischen Männerverein. Mitglied der Zentrumsfraktion im Stadtrat. 1933 einen Monat im KZ Osthofen. Wilhelm Ockstadt, geboren 16. Januar 1864, Malermeister und Landwirt. Mitbegründer des Katholischen Männervereins. Stadtrat über einen Monat im KZ Osthofen. Heinrich Schweickert, geboren 2. August 1882, Weinhändler, dem Zentrum nahestehend. Mit der Beschuldigung als Separatist ins KZ Osthofen gebracht, nach einigen Wochen wieder entlassen. Franz Josef Völker, geboren 24. August 1881, Weinhändler, Mitbegründer des Katholischen Männervereins. Im Sommer 1933 nach Osthofen eingeliefert. In fast allen Fällen war bei diesen Gau-Algesheimer KZ-Häftlingen persönliche Terrorisierung vorausgegangen, zum Teil durch Schüsse der SA auf Wohnung und Haus.

Im gleichen Heft, das Zeitgeschichte an Gau-Algesheimer Schicksalen konkretisiert, berichtet Ludwig Faust, wie er mit zwei weiteren Mitgliedern der katholischen Sturmschar Gau-Algesheim, einer Teilgliederung der katholischen Jugend, den inhaftierten Martin Hassemer im KZ Osthofen besucht habe: „Wir, drei Mitglieder der Sturmschar Gau-Algesheim, fuhren mit unseren Rädern sonntags nach Osthofen, um Hassemer zu besuchen. Ein SS-Mann brüllte uns vor dem KZ an: Was wir hier suchten! Als wir nach Martin fragten, wurde er wütend und trat Wilhelm Bischel, unserem Bezirksvorsitzenden, in den Hintern. Ich wäre am liebsten abgehauen. Aber wir wurden jetzt in das Lager geführt und Martin wurde geholt. Wir mußten uns an einen langen Tisch setzen, hinter uns SS-Leute mit geschultertem Gewehr. Wir brachten vor Angst kaum ein Wort heraus. Ich war damals, 1933, der Jüngste in der Sturmschar, noch keine vierzehn Jahre alt."

Rheinhessische Herkunftsorte von Häftlingen in Osthofen