Carl-Brilmayer-Gesellschaft e. V.

Was die Geschichte in Gang hält

Immanuel Kant (1724-1804): Was ist Aufklärung? (1784)

Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit.

Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen.

Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes,  sondern der Entschließung und des Muthes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen.

Sapere aude! Habe Muth. dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung.

Faulheit und Feigheit sind die Ursachen, warum ein so großer Theil der Menschen dennoch gerne Zeitlebens unmündig bleibt; und warum es Anderen so leicht wird, sich zu deren Vormündern aufzuwerfen.

Es ist so bequem, unmündig zu sein.

Felix Anton Blau (1754-1798): Uiber die Bilderverehrung mit Rücksicht auf das angebliche neue Algesheimer Wunderbild, Mainz 1788

Richtige und wirksame Erkenntnis Gottes ist Religion oder Gottesdienst.

Er besteht aus zwey Stücken 1) aus der Erkenntnis Gottes und seiner Vollkommenheiten 2) aus daher entsspringenden Empfindungen und Handlungen.

Diese zwey Stücke, Kenntnisse im Verstande, Empfindungen im Willen, woraus Thaten folgen, müssen nothwendig beysammen sein.

Wer auch die besten Vorstellungen von Gott hätte, aber nicht darnach handelte, der würde sehr boshaft und Gottlos seyn; und wer auch den besten Willen hätte, Gott zu dienen, und ihm zu gefallen, aber mit vernünftigen Kenntnissen nicht versehen wäre, der würde durch eitle, unnütze, schädliche Handlungen seinen Gott mehr entehren, als nach seinem Wohlgefallen handeln:

So wie es die Geschichte der unglücklichen Menschen, die die göttliche Offenbarung nicht kannten, lehret, daß sie Gott durch Menschenopfer, durch Zauberkünsten und Wahrsagerey, durch sinnlose Gebräuche und Geberden zu verehren suchten.

Antoine Barnave (1761-1793): Introduction à la Révolution française (1792/93)

Der menschliche Wille macht keine Gesetze.

Er vermag nichts oder fast nichts über die Form der Regierungen.

Die Natur der Dinge (la nature des choses), d.h. die soziale Stufe, die ein Volk erreicht hat, die Größe und Lage des Landes, das es bewohnt, sein Reichtum und seine Bedürfnisse, seine Gewohnheiten und seine Sitten, verteilt die Macht und bestimmt die Form der Regierung.

Die Natur der Dinge gibt sie nach Zeit und Ort entweder einem, mehreren oder allen, und teilt sie hierfür in verschiedene Anteile auf.

Diejenigen, die dank der Natur der Dinge die Macht haben, machen die Gesetze, um die Macht ausüben und in ihren Händen fixieren zu können.

So konstituieren und organisieren sich die Reiche.

Nach und nach schafft der Fortschritt des Gesellschaftsstandes neue Quellen des Reichtums, ändert die alten und variiert die Proportionen des Kräftespiels.

Dann können die alten Gesetze nicht länger gelten. Genau wie in der Welt der Tatsachen neue Autoritäten existieren, bedarf es neuer Gesetze, um diese Autoritäten handeln zu lassen und in ein System zu bringen.

Auf diese Weise ändern die Regierungen die Form, gelegentlich im Verlauf eines kaum merklichen sachten Prozesses, manchmal jedoch infolge gewaltsamer Erschütterungen.

Unter den verschiedenen Grundlagen, auf welche die Macht gestellt werden kann, gibt es drei wesentliche, deren Bedeutung über die aller anderen hinaus geht. Diese drei muss man vor allen Dingen untersuchen. Die drei Grundlagen sind: Die bewaffnete Macht und der militärische Oberbefehl, das Eigentum, die öffentliche Meinung.

Das sind die von der Natur der Dinge bestimmten Machtpositionen, die es - gelegentlich im Widerspiel, gelegentlich im Zusammenspiel - ermöglichen, dass sich Regierungen konstituieren.

Karl Marx (1818-1883): Zur Kritik des Politischen Ökonomie, (1859)

In der gesellschaftlichen Produktion ihres Lebens gehen die Menschen bestimmte, notwendige, von ihrem Willen unabhängige Verhältnisse ein, Produktionsverhältnisse, die einer bestimmten Entwicklungsstufe ihrer Produktivkräfte entsprechen.

Die Gesamtheit dieser Produktionsverhältnisse bildet die ökonomische Struktur der Gesellschaft, die reale Basis, worauf sich ein juristischer und politischer Überbau erhebt und welcher bestimmte gesellschaftliche Bewusstseins-formen entsprechen.

Die Produktionsweise des materiellen Lebens bedingt den sozialen, politischen und geistigen Lebensprozess überhaupt.

Es ist nicht das Bewusstein der Menschen, das ihr Sein, sondern umgekehrt, ihr gesellschaftliches Sein, das ihr Bewusstsein bestimmt.

Auf einer bestimmten Stufe ihrer Entwicklung geraten die materiellen Produktivkräfte der Gesellschaft in Widerspruch mit den vorhandenen Produktionsverhältnissen oder, was nur ein juristischer Ausdruck dafür ist, mit den Eigentumsverhältnissen, innerhalb deren sie sich bisher bewegt hatten.

Aus Entwicklungsformen der Produktivkräfte schlagen diese Verhältnisse in Fesseln derselben um.

Es tritt dann eine Epoche sozialer Revolution ein.

Mit der Veränderung der ökonomischen Grundlage wälzt sich der ganze ungeheure Überbau langsamer oder rascher um.

Eine Gesellschaftsformation geht nie unter, bevor alle Produktivkräfte entwickelt sind, für die sie weit genug ist, und neue Produktionsverhältnisse treten nie an die Stelle, bevor die materiellen Existenzbedingungen derselben im Schoß der alten Gesellschaft ausgebrütet worden sind.