766 - 1496
766, 22. November: Erste urkundliche Erwähnung von Gau-Algesheim im Codex Laureshamensis: Nanther und Hiltrud schenken dem Kloster Lorsch eine „Manse“ mit 20 Morgen Pflugland in der Gemarkung Alagastesheim im Wormsgau.
767, 1. November: Erste urkundliche Erwähnung des Stadtteils Laurenziberg im Lorscher Kodex: Rudolf schenkt dem Kloster Lorsch einen Unfreien, seinen gesamten Besitz und einen Weinberg in der „Bercheimer Marca“ (Bergen).
983, 14. Juni: Durch die Veroneser Schenkung von Kaiser Otto II. an Erzbischof Willigis von Mainz kommt das „Binger Land“ mit Algesheim, diesseits des Rheines von der Brücke über die Selzbach bis nach Heimbach („cis Renum a ponte super Salisum rivum extento usque Heinbach“) zum Erzbistum Mainz, dem es mehr als 800 Jahre bis zum Ende des Alten Reiches angehört.
1112: Der Mainzer Erzbischof Adelbert (Adalbert I. von Saarbrücken, 1111-1137) bestätigt die Schenkung von Gütern durch seinen Vorgänger Luitpold (1051-1059) an das Kloster Jakobsberg in Mainz "in pago nachgowe in villa Algesheim in loco moseburch".
Erste urkundliche Erwähnung einer Burg in Gau-Algesheim, genannt „Moseburg“ sowie erste urkundliche Nennung eines Weinbergs „Im Katzenloch“.
1130: Eine Ministerialenversammlung im Kloster Johannisberg, zu der Erzbischof Adalbert I. seine Berater und Dienstleute zusammenruft, belegt erstmals die Verbindung von Algesheim zum Rheingau.
1268: Erste Erwähnung eines Ortsgerichts mit Richter (Judex) und Schöffen (Scabini). Es entsteht aus dem Hofgericht des erzbischöflichen Fronhofes bzw. des früheren Königshofes.
1302: Schulheiß und Schöffen sind Träger der örtlichen Gerichtsbarkeit. Algesheim besitzt ein Spital mit eigenem Grundbesitz.
1332, 23. August: Kaiser Ludwig der Bayer verleiht zu Nürnberg auf Bitten des zum Mainzer Erzbischof gewählten Trierer Erzbischofs Balduin von Luxemburg den Orten Algesheim und Eltville „die Freiheit von Frankfurt, das Recht der Ummauerung und einen Wochenmarkt“.
1334: Der Edelknecht Peter Gruel von Bingen bezieht als Burglehen zu Klopp zwei Mark von den Judensteuern zu Algesheim.
1336: Peter Gruel hat das Amt des Schultheißes bis 1341 und von 1341 bis 1346 inne. In seine Amtszeit fällt der Aufbau der Stadtbefestigung. Der Graulturm ist nach ihm benannt.
1339: Erzbischof Heinrich von Virneburg belehnt den Ritter Johann von Lorch mit dem Schultheißenamt sowie dem bedeutenden Weinmarkt in Algesheim. Dieser fand einmal jährlich statt.
ab 1341: Städtisches Leben entwickelt sich durch Ansiedlung von Kaufleuten und Handwerkern. Erwähnung finden Heringshändler, Schmiede, Bäcker, Bartscherer, Küfer, Schneider, Krämer. Zahlreicher Ortsadel ist im Stadtgebiet ansässig, Klöster verfügen über umfangreichen Grundbesitz in der Gemarkung. Der Ort ist von einem Graben umgeben, als Durchgänge werden Pforten errichtet.
1344: Errichtung der Klopp-Pforte und der Heuerpforte. Die Heuerpforte ("hewerpfort" Mascopp 1577) wird 1812, die Klopp-Pforte 1819 niedergerissen. Die Entfernung vom Heuertor bis zum Klopptor (Nord-Süd) beträgt 420 Meter.
1345: Ein für den 1332 verliehenen Wochenmarkt vor der Pfarrkirche errichteter Marktplatz wird erstmals genannt.
1346: Errichtung der Neupforte oder Mainzer Pforte, 1819 niedergerissen. Die Entfernung von der Neupforte bis zur Mauer am "Graben" (Ost-West) beträgt 325 Meter.
1350, 28. Mai: Algesheim schließt mit anderen kurmainzischen Städten einen Vertrag mit dem vom Papst bereits abgesetzten Erzbischof Heinrich von Virneburg, der sich noch gegen Gerlach von Nassau behauptet.
1355, 11. Februar: Auf Bitten des Mainzer Erzbischofs Gerlach von Nassau erneuert König Karl IV. zu Pisa aus militärischen Gründen die Stadtrechte für Algesheim wie auch für Höchst am Main.
1358: Erste urkundliche Erwähnung des „Judenkirchove“ in der Flur „Am Judensand“, der Begräbnisstätte der Gau-Algesheimer Juden.
1370: Kompetenzausweitung des Algesheimer Schultheißen auf die Orte Ockenheim und Gau-Bickelheim. Das Amt Algesheim entsteht.
1397: Erwähnung des Martinspatroziniums für die Pfarrkirche.
1417, 15. Juli: Erzbischof Johann II. von Nassau erlässt eine neue Gemeindeordnung, beschneidet Gericht, Stadtrat und Bürgern die mit der Zugehörigkeit zum Rheingau verbundenen Freiheiten und Rechte. Er ernennt einen „Landschreiber“ mit Residenzpflicht im Schloss Ardeck, der allen Amtshandlungen beiwohnt.
um 1430: Peter Bischof, der spätere Baumeister und Steinmetz ("Meister Peter von Algesheim") am Straßburger Münster bei Jodokus Dotzinger, wird in Algesheim geboren.
1439: Die Kanzlei des Konzils von Basel (1431 - 1449) schreibt an den Probst des bei Weisenau gelegenen Stiftes von St. Viktor ("extra muros Maguntinenses") betr. die Auseinandersetzung des Mainzer Diözesanpriesters Peter Swinde mit einem Conradus über die Einkünfte eines Altars der Kirche in "Algißheym".
1440, Januar: In zwei Schreiben aus der Algesheimer Burg an den Rat zu Frankfurt äußert sich der Kurfürst Dietrich von Mainz zur bevorstehenden Königswahl über das mitzubringenden Gefolge und die Beteiligung Böhmens (7. Januar) und ermahnt den Rat, niemanden in die Stadt zu lassen, der nach der Goldenen Bulle dazu nicht berechtigt sei (14. Januar). Die Wahl des Habsburgers Friedrich III. zum römisch-deutschen König verlief am 2. Februar 1440 reibungslos.
1444: Erzbischof Dietrich Schenk von Erbach (1434-1459) lässt die „Moseburg“ zu einem wehrhaften Schloss ausbauen, wo er sich mehrfach aufhält. Die Anlage ist von einem breiten Wassergraben umgeben.
1459, 14. Juli: Erzbischof Diether von Mainz bestätigt dem Rheingau "oben und unten von Walluf bis Lorschhausen" seine alten Rechte, Freiheiten, Gnaden, Herkommen und Gewohnheiten und fügt hinzu, dass die von Bingen und Algesheim von Alters her zu seinem Land Rheingau gehören.
1461 – 1480: Erzbischof Adolf von Nassau verpfändet während der „Mainzer Stiftsfehde“ Schloss und Stadt Algesheim an seinen Verbündeten, den Markgrafen Karl von Baden. Dieser gibt 1466 das Pfandrecht an den Grafen Philipp von Katzenelnbogen, um sich aus der Gefangenschaft im Heidelberger Schloss zu befreien, in die er während des badisch-pfälzischen Krieges und der Mainzer Stiftsfehde geraten war.
1463, 2. Februar: Während einer Auseinandersetzung zwischen dem kur-pfälzischen Ingelheim und dem kurmainzischen, an Baden verpfändeten Algesheim kommen an Lichtmess zehn Soldaten aus Algesheim zu Tode, 24 werden gefangen genommen; für deren Befreiung müssen 300 fl. bezahlt werden.
1464, 9. April: Peter Bischof unterschreibt die Speyrer Steinmetzordnung an vierter Stelle nach Jost Dotzinger als „Meister Peter von Algesheim, Meister zu Nühüsen (Worms-Neuhausen)“.
1468, 20. Juni: Markgraf Karl von Baden, Graf zu Sponheim, und Graf Philipp von Katzenelnbogen treffen eine Eheabrede zwischen Karls Sohn Christoph und Ottilie, Tochter seines verstorbenen Sohnes, des Grafen Philipp von Katzenelnbogen, die folgende Punkte enthält: Graf Philipp übergibt seiner Enkelin Ottilie 16.000 fl. Kapital auf Burg und Dorf Algesheim mit den zugehörigen Dörfern, Amtleute und Kellner der Graf Philipp verpfändeten Orte Stadecken und Algesheim. Die Zollschreiber, Beseher und Zollknechte zu Ehrenfels müssen den Verlobten nach Vollzug des Beischlafs huldigen, Ottilie steht nach Christophs Tod ein lebenslänglicher Sitz in Stadecken oder Algesheim zu. Wird Algesheim eingelöst, soll sie ander-weitig versorgt werden.
1473, 1. Mai: In einer Urkunde der Bauhütte am Straßburger Münster ("Hüttenbrief") wird Peter Bischof von Algesheim als "der statt murer" bezeichnet.
1480: Erstmals findet sich das Mainzer Rad im Gau-Algesheimer Stadtwappen ausweislich des Wappensteins am Rathaus.
1496, 14. - 16. Juli: Für eine "Kundschaft" über Rechte und Übergriffe des Pfalzgrafen werden auch Einwohner aus Algesheim befragt: Peter Harkes, Patzenhen, Cles Drost und Cles Rusperger.
Brilmayers Stadtgeschichte Kapitel 2: Geschichte von Algesheim von seiner Einverleibung in das Erzstift Mainz, 983, bis zu seiner Lostrennung vom Rheingau, 1527.
Durch die Schenkung Ottos war also die Umgegend von Bingen, wozu auch Algesheim gehörte, seit dem Ende des zehnten Jahrhunderts Eigentum der Erzbischöfe von Mainz geworden; es bestrebte sich deshalb bei streitigen Erzbischofswahlen ein jeder der Gewählten diesen Landstrich zuerst in seinen Besitz zu bekommen. Daher konnten vielfache Kämpfe mit all ihren traurigen Folgen in dieser Gegend nicht ausbleiben, und nur gar zu oft sehen wir feindliche Horden sich Bingens bemächtigen und die umliegenden Orte verwüsten.
Solch eine traurige Zeit brachte das Jahr 1165. Alexander III. hatte den päpstlichen Stuhl bestiegen. Tugendhaft und thatkräftig folgte er nicht in allen Stücken Kaiser Friedrich. Dieser, erzürnt über den Widerstand Alexanders, ließ deshalb einen Gegenpapst aufstellen, und aus Furcht vor dem gewaltigen Kaiser erklärte sich eine große Anzahl Bischöfe für Friedrichs Kreatur. Aber Konrad, Erzbischof von Mainz, blieb dem rechtmäßigen Oberhaupte treu. Zu ihm flüchtete sich der Erzbischof vor dem Zorne Friedrichs. Dieser ließ dann durch den Landgrafen Ludwig von Thüringen das Erzstift durch Mord, Brand und Verwüstung hart für die Treue Konrads büßen. Die Barbarei war dabei grenzenlos. Nachdem die landgräflichen Soldaten in Bingen und den umliegenden Orten alles mit Feuer und Schwert verwüstet hatten, setzten sie in den Rheingau über, wo sie ebenso hausten, bis sie nach drei Wochen von den vereinigten Bewohnern Bingens, der Umgegend und des Rheingaues, zu welchen noch zahlreiche Verstärkungen aus den pfälzischen Landen gestoßen waren, mit bedeutenden Verlusten an Toten und Gefangenen in die Flucht geschlagen wurden.
Doch nicht gar lange herrschte Ruhe, da loderte von neuem die Kriegsfackel empor. Im Jahre 1200 starb Erzbischof Konrad von Mainz. Schlimm sah es damals in Deutschland aus. Zwei Könige, Philipp v. Schwaben und Otto v. Braunschweig waren nach dem Tode König Heinrichs gewählt worden. Jeder derselben hatte seinen Anhang. Insbesondere zeigte sich diese unselige Spaltung auch bei der neuen Erzbischofswahl. Die meisten, teils Anhänger Philipps, teils von ihm eingeschüchtert, da er bei der Wahl gegenwärtig war, wählten den Bischof Lupold von Worms, einer seiner ergebensten Freunde. Ein Teil der Domherren dagegen legte Verwahrung gegen die Gültigkeit dieser Wahl ein, aber da man keine Rücksicht auf ihre Einsprache nahm, verließen sie die Stadt und erkoren zu Bingen Siegfried von Eppstein zum Erzbischof. Diese Wahl bestätigte der Papst.
Jetzt begannen die Kämpfe. Lupold vertrieb 1201 mit Hülfe des Königs Philipp den Siegfried aus Bingen, musste es aber wieder verlassen, als Siegfried mit einer stärkeren Macht heranrückte. In den folgenden Jahren bis 1208, wo König Philipp ermordet wurde, hat Bingen und die Umgegend wieder viel gelitten, da die Könige Philipp und Otto sich hier bekriegten und den Rheingegenden harte Wunden schlugen.
Einige Jahre später, 1248, war es Wilhelm von Holland, der gegen den Hohenstaufen Friedrich zum König gewählt worden war. Mit Waffengewalt suchte er sich Anerkennung zu verschaffen. Wiederum wurde unsere Gegend in Mitleidenschaft genommen. Langsam kam Wilhelm den Rhein heraufgezogen und lagerte sich im Februar und März 1249 vor Ingelheim. Daß dabei auch die umliegenden Orte, vor allem das nahe Algesheim, manches Ungemach erfahren mußten, ist leicht erklärlich.
Im Jahre 1302 ist wiederum der Krieg entbrannt. Erzbischof Gerhardt war mit König Albrecht in Streit geraten. Die Waffen mussten entscheiden. Mit einem mächtigen Heere rückte Albrecht bei Oppenheim über den Rhein nach Nieder-Olm, eroberte es und zog von da nach Bingen, die ganze Gegend mit Feuer und Schwert verwüstend. Nach zehnwöchentlicher tapferer Verteidigung musste die Stadt sich ergeben. Aber der Krieg war noch nicht zu Ende. Albrecht zog über den Rhein; Rüdesheim, Winkel und Östrich wurden verbrannt, rings umher alles verwüstet und geplündert. Endlich im März 1302 ward der Friede wieder hergestellt.
Wenn auch in allen diesen Kämpfen um Bingen Algesheim nicht ausdrücklich genannt wird, so liegt doch der Gedanke nahe, daß es während derselben viel Schlimmes erdulden musste, und so können wir uns nicht wundern, wenn im Jahre 1355, vermutlich auf Bitten der Bewohner selbst, König Karl IV. dem Erzbischof und dem Stifte zu Mainz gestattet, das Dorf Algesheim mit Mauern, Gräben und durch andere Befestigungen zu schützen. Zugleich erhebt er dasselbe zu einer Stadt und erteilt ihm dieselben Freiheiten wie der befestigten Stadt Frankfurt, nachdem schon einige Jahre früher, 1332 König Ludwig der Bayer ihm gleiche Stadtrechte wie Frankfurt verliehen hatte.
Doch scheinen alle diese Rechte noch nicht sogleich zur Ausübung gekommen zu sein, denn drei Jahre später, am 15. Oktober 1358, vergleicht sich Emicho, Graf von Leiningen mit Erzbischof Ger-lach von Mainz in Bezug auf alle Ansprüche und Forderungen in der Weise, daß der Erzbischof dem Grafen 2000 kleine Gulden florenc. Gewicht zu bezahlen verspricht und dafür das „Dorf Al-gesheim“ verpfändet, wogegen der Graf Schutz und Schirm der armen Leute des Erzbischofs bis zur Tilgung der Schuld übernimmt.
Doch scheint diese Verpfändung nicht lange gewährt zu haben, denn nach einer Urkunde, welche sich im Binger Stadtarchive befindet, bekennt am 7. Juni 1365 Erzbischof Gerlach, daß er Schultheiß, Schöffen und die Gemeinde zu Bingen in seinen Anteil des Ungeldes daselbst gegen 750 Pfund Heller eingesetzt habe, wovon sie zur Ablösung des „Dorfes Algesheim“ 565 Gulden an Joselin von Würzburg, Jakob seinen Bruder und Kallmann von Frankfurt zahlen sollen.
Nach dem Tode des Erzbischofs Theodorich (1459) entstand, wie so oft, eine zwiespältige Wahl. Die eine Partei wählte Diether von Isenburg, die andere Adolf von Nassau zum Erzbischof. Jeder von beiden sucht seine Anerkennung beim Papste nach. Der Papst bestätigte Diether unter genau vorgeschriebenen und von ihm eidlich angenommenen Bedingungen. Doch erfüllte er keine derselben und zeigte sich selbst hartnäckig, als der Papst ihn wiederholt durch eigens geschickte Legaten dazu aufforderte. Da entsetzte er endlich 1461 Diether seiner Würde und verlieh dieselbe an Adolf von Nassau. Allein jetzt entstand zwischen diesen beiden und den mit ihnen verbündeten Fürsten ein erbitterter Streit, welcher dem Lande harte Wunden schlug. Algesheim ergab sich gleich anfangs an Adolf, aber kurz darauf, am 30. September verpfändet er dem Markgraf Karl von Baden Schloß und Stadt Algesheim zum Ersatze für alle Kosten und Schäden, die er bei der Hülfe wider Erzbischof Diether erleiden würde.
Auch in den folgenden Jahren wütete der Krieg noch fort. Wenn er auch hauptsächlich im oberen Teile des Erzstiftes geführt wurde, so fehlte es auch keineswegs in unseren Gegenden an kleineren Plänkeleien. Das nahe Ingelheim war pfälzisch, und der Pfalzgraf Friedrich stand auf Seite Diethers gegen Adolf. Da konnten kleine Zusammenstöße nicht ausbleiben. So „kamen anno 1463 auf Purificationis Mariä etliche aus dem Volk, das zu Ingelheim im Saale lag, vor Algesheim; dieses gewahr werdend, begaben sich ihrer bei 50 heraus, streiften ihnen nach, die von Ingelheim stellten sich zur Wehr, erstachen der Algesheimer 10 Mann und 24 nahmen sie gefangen, bekamen 17 Armbrust und 3 Handbüchsen, diese 24 Personen mussten geben 300 fl., dass sie ledig wurden.“
Auch nachdem im Oktober 1463 durch Verzicht Diethers auf den erzbischöflichen Stuhl der Friede wieder hergestellt war, blieb Algesheim verpfändet. Die Pfandschaft übertrug der Markgraf im Jahre 1466 für fünfzigtausend Gulden an den Grafen Philipp von Katzenelnbogen. Dieser aber gab dieselbe im Jahre 1468 seiner mit Christoph von Baden verlobten Tochter Ottilie als Heiratsgabe. Endlich löste Erzbischof Diether Algesheim im Jahre 1480 wieder ein und gab es dem zu seinem Nachfolger bestimmten Herzog Albert von Sachsen zum lebenslänglichen Genusse, wozu Alberts Vater, der Kurfürst Ernst von Sachsen, zwanzigtausend Gulden hergeschossen, unter der Bedingung, dieses Geld nie zurückzufordern, wenn Albert einst zum wirklichen Besitze des Erzstifts gelangen sollte. Da diese Bedingung später erfüllt wurde, so verblieb auch Algesheim ohne weitere Einlösung bei dem Erzstift.
Recht schwer hat Algesheim unter den Folgen gelitten, welche die Empörung der Rheingauer, zu denen die Algesheimer damals auch gehörten, im Jahre 1525 ihm verursacht hat. Beim Beginne des sechszehnten Jahrhunderts war eine bewegte Zeit in ganz Deutschland in religiöser und politischer Beziehung, überall gab es Unzufriedenheit und Aufruhr; besonders waren schon längst die Bauern mit ihrem Lose unzufrieden und suchten durch wiederholte Empörungen ihre Lage zu verbessern, aber immer wieder waren diese Aufstände mit Waffengewalt unterdrückt worden. Jetzt, nachdem sie das Wort „von der evangelischen Freiheit“ vernommen, fassten sie neuen Mut, erhoben sich überall in ungeheueren Massen und fielen in wildem Ungestüm über die höheren Stände her. Der Aufstand brach zuerst im südlichen Schwarzwald aus und verbreitete sich mit großer Schnelligkeit über einen großen Teil Deutschlands, besonders auch über die Rheingegenden. Auch in Mainz brachen Unruhen aus. Die Aufrührer ließen von den Türmen die Geschütze holen, der Magistrat musste ihnen die Schlüssel der Stadtthore übergeben, die Gefängnisse wurden erstürmt, die Gefangenen befreit. Erst, nachdem das Domkapitel eine Anzahl ihm vorgelegter Forderungen bewilligt hatte, wurde die Ruhe wieder hergestellt.
Von Mainz verbreitete sich der Aufruhr in den Rheingau, nicht ohne kräftige Aufmunterungen und verlockende Versprechungen. Auch hier verlangten die Bauern vom erzbischhöflichen Statthalter, Bischof Wilhelm von Straßburg, und vom Domkapitel die Annahme einer Reihe von Forderungen, welche sie Ende April in einer Versammlung im Beisein des Vicedom aufgestellt und demselben übergeben hatten. Es waren 29 Artikel. Unter anderm sollte darnach jeder Flecken“ einen gelehrten Prediger und Seelen-Versorger haben, der sonder Furcht und Bezwang die rechte, lautere evangelische Wahrheit sage“; es sollten diese Pfarrer von den Gemeinden gewählt werden und wieder entlassen werden können. Niemand sollte mehr in den Klöstern aufgenommen werden, diese sollte vielmehr aussterben, wer nicht in ihnen bleiben wollte, „herauskommen mit einer ziemlichen Zugabe“, das Kloster aber der Landschaft zufallen. „Kein Jude sollte mehr in der Landschaft des Rheingaues wohnen oder hausen“, und zwar, wie nachher hinzugefügt wurde, „von wegen des großen Schadens, den sie dem gemeinen Manne zufügen.“ Kein Stand sollte von den Gemeindearbeiten befreit sein mit Ausnahme des Adels bezüglich seiner freien Lebensgüter. Kein Bürger sollte zu Mainz oder Bingen mit Gewalt festgehalten werden, sondern bloß da, „wo er sesshaftig ist.“ Wasser, Weide, Wildfang sollten frei sein. Mit dem Zoll zu Mainz und Ehrenfels soll es nicht so streng genommen werden. Außerdem verlangten sie später auch, da Algesheim und Lorch sich wiederholt, „der ungleichen Besitzungen“ wegen beklagt hatten, „die Ämter allenthalben zu besichtigen, von oben an bis unten aus“, damit dann jedes „in gleich brüderliche Form gestellt und geteilt werde.“
Doch diese Forderungen wurden nicht sofort in Mainz bewilligt. Darüber aufgebracht, eilten die Rheingauer am 2. Mai bewaffnet auf den Wachholder und luden dorthin alle Rheingauer Ortschaften auf den 8. Mai ein. Ihre Forderungen stellten sie daselbst nunmehr in 31 Artikeln auf. Auch der Statthalter, Bischof Wilhelm, und ein Vertreter des Domkapitels waren auf dem Wachholder erschienen und unter dem Drange der Umstände genehmigten sie die geforderten Artikel am 13.Mai.
Während die Rheingauer vier Wochen lang auf dem Wachholder lagen, wurden sie von dem nahegelegenen Kloster Eberbach beköstigt; besonders musste das dort befindliche große Faß mit gutem Wein herhalten, von dem hernach, als der Aufstand für die Rheingauer seine schlimme Wendung genommen hatte, das Sprichwort entstanden: Als ich auf dem Wachholder saß, da trank man aus dem großen Faß; Wie bekam uns das? Wie dem Hunde das Graß, der Teufel gesegnet uns das. Nach einer glaubwürdigen Urkunde, dem sog. Oculus memoriae, hat das Faß 74 Karraten, also 296 Ohm, Wein enthalten und eine spätere Hand bemerkt: „dieses große Faß haben die Rheingauer ausgetrunken im Jahr 1525 bei dem Bauernaufstand, so dass es während 19 Jahre leer lag.
Während die Rheingauer auf dem Wachholder lagen und guter Dinge waren, verbreitete sich die Nachricht von den Niederlagen, welche die Bauern in Württemberg und anderwärts erlitten hatten. Darum verließen sie alsbald den Ort und zogen still nach Haus in der Hoffnung, man werde sie, wenn man sie nicht mehr unter Waffen treffe, in Ruhe lassen.
Doch sie hatten sich getäuscht. Von dem schwäbischen Bundesfeldherrn Truchseß von Waldburg lief ein Schreiben ein, dass er trotz der von dem Mainzer Statthalter, dem Bischof Wilhelm, eingelegten Fürsprache mit Heeresmacht in den Rheingau ziehen müsse, um sie zum gebürlichen Gehorsam zurückzubringen, wenn sie nicht sofort Abgeordnete Schickten, um sich auf Gnade und Ungnade zu ergeben. Sie zogen das letztere vor, mußten sich aber dazu verstehen, daß der Rheingau zur Strafe 15000 Gulden zahle, dem Landesfürsten aufs neue huldige und im Gegensatz gegen die Wachholder-Artikel eine Anzahl ganz anderer annehme und befolge.
Nach diesen sollte sie alle Waffen ausliefern, nie mehr solche tragen und schwören, sich nicht mehr zu empören; die während der Empörung eingenommenen Güter sollten zurückgegeben, der angerichtete Schaden wieder gut gemacht werden; die bisherigen Vorrechte und Freiheiten des Rheingaues sollten aufgehoben und in demselben keine Versammlungen mehr ohne Vorwissen und Beiseins des Vicedoms gestattet sein; die Rädelsführer des Aufruhrs sollten angezeigt, dem Bundeshauptmann überantwortet und, falls sie flüchtig geworden, ihre Güter beschlagnahmt werden; des Jagens und Fischens sollten sich die Rheingauer gänzlich enthalten, die Waldungen aber im Rheingau dem Kurfürsten zum Gebrauch vorbehalten sein, dem Adel sollten diese Artikel nicht gelten; endlich sollten die bisherigen Abgaben und Dienstbarkeiten auch fernerhin fortdauern.
Als nun alle Waffen an drei aufeinanderfolgenden Tagen nach Eltville abgeliefert werden mussten, besorgte man, von den Leuten des Statthalters „ungewarnt überfallen, erschlagen, erstochen und erwürgt zu werden.“ Bischof Wilhelm aber beruhigte sie. Auf Mittwoch, den 12. Juli mussten dann alle Bürger der Landschaft auf dem Felde zwischen Eltville und Steinheim erscheinen und daselbst dem Landesherrn neuerdings huldigen, sowie die neuen Artikel beschwören. Zugleich wurden die dem Statthalter und den Klöstern während der Empörung abgenötigten schriftlichen Verpflichtungen ausgeliefert, öffentlich durchstochen und als nichtig erklärt. Darauf ritt der Bundeshauptmann „von Flecken zu Flecken, wie sie dazumal im Felde gestanden, zu jedem besonders, und las öffentlich der Rädelsführer Register. Die nun gegenwärtig waren, ließ er in das Schloß zu Eltfeld führen und auf den nächsten folgenden Freitag etliche derselben, nämlich neun davon, am Leib strafen. und enthaupten,“ Hab und Gut aber derjenigen Rädelsführer, die entronnen waren, wurden auf Befehl des Statthalters und des Bundeshauptmanns von dem Vicedom eingezogen. Die den Klöstern während des Aufstandes abgenommenen Urkunden mussten nach Eltville gebracht werden und wurden jenen durch den Vicedom zurückgegeben. Auf die Vorstellung, die er und die Räte der Landschaft dem Statthalter machten, wurden, um den Bedürfnissen zu genügen, einige Waffen den Gemeinden wieder eingehändigt. Die Brandschatzung der 15 000 Gulden, die dem Rheingau aufgelegt wurde, musste gleichmäßig von den einzelnen Herdstätten, mit Ausnahme derer des Adels, der Geistlichen und der Klöster, aufgebracht werden. Algesheim zählte damals 172 Herdstätten, hatte demgemäß 855 Gulden aufzubringen, das war ungefähr für jeden Kopf der Bevölkerung ein Gulden Brandschatzung. Gewiß für jene Zeit eine recht ansehnliche Steuer! Ein Teil der Landesflüchtigen wurde nach längeren Verhandlungen, und nachdem er sich einer Geldstrafe unterworfen hatte, noch in demselben Jahre im Land wieder zugelassen, die übrigen dagegen durften erst, nachdem Kurfürst Albrecht in sein Land zurückgekehrt war, auf Verwenden des Vicedom gegen Abbitte und das Gelöbnis guten Verhaltens heimkehren.
Die Schluß-Antwort auf diesen Aufstand der Rheingauer kam aber erst im Januar 1527, wo in 60 Artikeln eine „Neue Ordnung und Regiment der Landschaft im Rheingau“ verkündet wurde. Durch Artikel 41 derselben wurde verordnet, dass Algesheim “in Zukunft vor sich sein und eine besondere Ordnung erhalten solle.“ Damit büßte es fast alle seine Rechte im Rheingau ein und die wenigen, welche ihm noch blieben, gingen ebenfalls im Laufe der Zeit verloren.